Goldammer, Leo: Eine Hochzeitsnacht. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 21. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [187]–203. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Dich sah ich von dem Bären umschlungen! Nicht wie ein Pfahl: all meine Nerven zuckten, dir beizuspringen. Da aber mit einem mal -- -- mir war's, als flüstere mir Jemand ins Ohr -- es ging mir wie ein Frost ins Herz, und zu meiner Linken sah ich eine Erscheinung, die grins'te mich an mit geschlitzten Augen, gekniffenen Lippen, verzogener Nase -- Verhalte dich ruhig, rief die Gestalt mir zu, und du wirst Mann einer Wittwe, die du frisch weg für eine Jungfrau darfst nehmen! - Deine Urte stand neben dem bösen Geist, urplötzlich wie ein Bild aus der Zauberlaterne, und wie schön und schmuck! Aber ein Schatten, eine Wolke lag über ihrem Gesicht, und ich hatte nicht den Muth, ihr ins Auge zu sehen. Da hört ich dein Wimmern von Neuem, da sah ich, wie die Tatzen des Bären deine Schultern schlugen, ich sah ihn den Pelz dir vom Leibe reißen. Mörder deines Bruders! rief mir's von rechts her ins Ohr, und diese Stimme klang warnend und mild, diese Stimme traf mein Herz, und mein Auge ging an den Boden. Mir vor den Füßen lag deine zerschlagene Büchse, ein Griff, in meiner Hand war sie und das Schloß noch am Schafte. An deiner Seite sah ich das Pulverhorn hängen, ich riß dir's vom Leibe, du wirst's nicht gemerkt haben in deiner Angst. Meine Hände flogen, da ich das Pulver in den Lauf schüttete; ich hatte die Kraft kaum, die Pfanne zu untersuchen und den Deckel wieder daraufzuschlagen -- da noch einmal trat mich der Teufel an, hieß mich einen Narren und versuchte es mit dem Dich sah ich von dem Bären umschlungen! Nicht wie ein Pfahl: all meine Nerven zuckten, dir beizuspringen. Da aber mit einem mal — — mir war's, als flüstere mir Jemand ins Ohr — es ging mir wie ein Frost ins Herz, und zu meiner Linken sah ich eine Erscheinung, die grins’te mich an mit geschlitzten Augen, gekniffenen Lippen, verzogener Nase — Verhalte dich ruhig, rief die Gestalt mir zu, und du wirst Mann einer Wittwe, die du frisch weg für eine Jungfrau darfst nehmen! – Deine Urte stand neben dem bösen Geist, urplötzlich wie ein Bild aus der Zauberlaterne, und wie schön und schmuck! Aber ein Schatten, eine Wolke lag über ihrem Gesicht, und ich hatte nicht den Muth, ihr ins Auge zu sehen. Da hört ich dein Wimmern von Neuem, da sah ich, wie die Tatzen des Bären deine Schultern schlugen, ich sah ihn den Pelz dir vom Leibe reißen. Mörder deines Bruders! rief mir’s von rechts her ins Ohr, und diese Stimme klang warnend und mild, diese Stimme traf mein Herz, und mein Auge ging an den Boden. Mir vor den Füßen lag deine zerschlagene Büchse, ein Griff, in meiner Hand war sie und das Schloß noch am Schafte. An deiner Seite sah ich das Pulverhorn hängen, ich riß dir's vom Leibe, du wirst's nicht gemerkt haben in deiner Angst. Meine Hände flogen, da ich das Pulver in den Lauf schüttete; ich hatte die Kraft kaum, die Pfanne zu untersuchen und den Deckel wieder daraufzuschlagen — da noch einmal trat mich der Teufel an, hieß mich einen Narren und versuchte es mit dem <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0021"/> Dich sah ich von dem Bären umschlungen! Nicht wie ein Pfahl: all meine Nerven zuckten, dir beizuspringen. Da aber mit einem mal — — mir war's, als flüstere mir Jemand ins Ohr — es ging mir wie ein Frost ins Herz, und zu meiner Linken sah ich eine Erscheinung, die grins’te mich an mit geschlitzten Augen, gekniffenen Lippen, verzogener Nase — Verhalte dich ruhig, rief die Gestalt mir zu, und du wirst Mann einer Wittwe, die du frisch weg für eine Jungfrau darfst nehmen! – Deine Urte stand neben dem bösen Geist, urplötzlich wie ein Bild aus der Zauberlaterne, und wie schön und schmuck! Aber ein Schatten, eine Wolke lag über ihrem Gesicht, und ich hatte nicht den Muth, ihr ins Auge zu sehen. Da hört ich dein Wimmern von Neuem, da sah ich, wie die Tatzen des Bären deine Schultern schlugen, ich sah ihn den Pelz dir vom Leibe reißen. Mörder deines Bruders! rief mir’s von rechts her ins Ohr, und diese Stimme klang warnend und mild, diese Stimme traf mein Herz, und mein Auge ging an den Boden. Mir vor den Füßen lag deine zerschlagene Büchse, ein Griff, in meiner Hand war sie und das Schloß noch am Schafte. An deiner Seite sah ich das Pulverhorn hängen, ich riß dir's vom Leibe, du wirst's nicht gemerkt haben in deiner Angst. Meine Hände flogen, da ich das Pulver in den Lauf schüttete; ich hatte die Kraft kaum, die Pfanne zu untersuchen und den Deckel wieder daraufzuschlagen — da noch einmal trat mich der Teufel an, hieß mich einen Narren und versuchte es mit dem<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0021]
Dich sah ich von dem Bären umschlungen! Nicht wie ein Pfahl: all meine Nerven zuckten, dir beizuspringen. Da aber mit einem mal — — mir war's, als flüstere mir Jemand ins Ohr — es ging mir wie ein Frost ins Herz, und zu meiner Linken sah ich eine Erscheinung, die grins’te mich an mit geschlitzten Augen, gekniffenen Lippen, verzogener Nase — Verhalte dich ruhig, rief die Gestalt mir zu, und du wirst Mann einer Wittwe, die du frisch weg für eine Jungfrau darfst nehmen! – Deine Urte stand neben dem bösen Geist, urplötzlich wie ein Bild aus der Zauberlaterne, und wie schön und schmuck! Aber ein Schatten, eine Wolke lag über ihrem Gesicht, und ich hatte nicht den Muth, ihr ins Auge zu sehen. Da hört ich dein Wimmern von Neuem, da sah ich, wie die Tatzen des Bären deine Schultern schlugen, ich sah ihn den Pelz dir vom Leibe reißen. Mörder deines Bruders! rief mir’s von rechts her ins Ohr, und diese Stimme klang warnend und mild, diese Stimme traf mein Herz, und mein Auge ging an den Boden. Mir vor den Füßen lag deine zerschlagene Büchse, ein Griff, in meiner Hand war sie und das Schloß noch am Schafte. An deiner Seite sah ich das Pulverhorn hängen, ich riß dir's vom Leibe, du wirst's nicht gemerkt haben in deiner Angst. Meine Hände flogen, da ich das Pulver in den Lauf schüttete; ich hatte die Kraft kaum, die Pfanne zu untersuchen und den Deckel wieder daraufzuschlagen — da noch einmal trat mich der Teufel an, hieß mich einen Narren und versuchte es mit dem
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Zitationshilfe: | Goldammer, Leo: Eine Hochzeitsnacht. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 21. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [187]–203. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goldammer_hochzeitsnacht_1910/21>, abgerufen am 28.07.2024. |