Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809.

Bild:
<< vorherige Seite

und dadurch auch für ihren Hof zu ge¬
winnen.

Nicht umsonst hatte sie so vieles Gepäcke
mitgebracht, ja es war ihr noch manches ge¬
folgt. Sie hatte sich auf eine unendliche
Abwechselung in Kleidern vorgesehen. Wenn
es ihr Vergnügen machte, sich des Tags drey
viermal umzuziehen und mit gewöhnlichen,
in der Gesellschaft üblichen Kleidern vom
Morgen bis in die Nacht zu wechseln; so
erschien sie dazwischen wohl auch einmal im
wirklichen Maskenkleid, als Bäuerinn und
Fischerinn, als Fee und Blumenmädchen.
Sie verschmähte nicht, sich als alte Frau zu
verkleiden, um desto frischer ihr junges Ge¬
sicht aus der Kutte hervorzuzeigen; und wirk¬
lich verwirrte sie dadurch das Gegenwärtige
und das Eingebildete dergestalt, daß man sich
mit der Saalnixe verwandt und verschwägert
zu seyn glaubte.

und dadurch auch fuͤr ihren Hof zu ge¬
winnen.

Nicht umſonſt hatte ſie ſo vieles Gepaͤcke
mitgebracht, ja es war ihr noch manches ge¬
folgt. Sie hatte ſich auf eine unendliche
Abwechſelung in Kleidern vorgeſehen. Wenn
es ihr Vergnuͤgen machte, ſich des Tags drey
viermal umzuziehen und mit gewoͤhnlichen,
in der Geſellſchaft uͤblichen Kleidern vom
Morgen bis in die Nacht zu wechſeln; ſo
erſchien ſie dazwiſchen wohl auch einmal im
wirklichen Maskenkleid, als Baͤuerinn und
Fiſcherinn, als Fee und Blumenmaͤdchen.
Sie verſchmaͤhte nicht, ſich als alte Frau zu
verkleiden, um deſto friſcher ihr junges Ge¬
ſicht aus der Kutte hervorzuzeigen; und wirk¬
lich verwirrte ſie dadurch das Gegenwaͤrtige
und das Eingebildete dergeſtalt, daß man ſich
mit der Saalnixe verwandt und verſchwaͤgert
zu ſeyn glaubte.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0057" n="54"/>
und dadurch auch fu&#x0364;r ihren Hof zu ge¬<lb/>
winnen.</p><lb/>
        <p>Nicht um&#x017F;on&#x017F;t hatte &#x017F;ie &#x017F;o vieles Gepa&#x0364;cke<lb/>
mitgebracht, ja es war ihr noch manches ge¬<lb/>
folgt. Sie hatte &#x017F;ich auf eine unendliche<lb/>
Abwech&#x017F;elung in Kleidern vorge&#x017F;ehen. Wenn<lb/>
es ihr Vergnu&#x0364;gen machte, &#x017F;ich des Tags drey<lb/>
viermal umzuziehen und mit gewo&#x0364;hnlichen,<lb/>
in der Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft u&#x0364;blichen Kleidern vom<lb/>
Morgen bis in die Nacht zu wech&#x017F;eln; &#x017F;o<lb/>
er&#x017F;chien &#x017F;ie dazwi&#x017F;chen wohl auch einmal im<lb/>
wirklichen Maskenkleid, als Ba&#x0364;uerinn und<lb/>
Fi&#x017F;cherinn, als Fee und Blumenma&#x0364;dchen.<lb/>
Sie ver&#x017F;chma&#x0364;hte nicht, &#x017F;ich als alte Frau zu<lb/>
verkleiden, um de&#x017F;to fri&#x017F;cher ihr junges Ge¬<lb/>
&#x017F;icht aus der Kutte hervorzuzeigen; und wirk¬<lb/>
lich verwirrte &#x017F;ie dadurch das Gegenwa&#x0364;rtige<lb/>
und das Eingebildete derge&#x017F;talt, daß man &#x017F;ich<lb/>
mit der Saalnixe verwandt und ver&#x017F;chwa&#x0364;gert<lb/>
zu &#x017F;eyn glaubte.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[54/0057] und dadurch auch fuͤr ihren Hof zu ge¬ winnen. Nicht umſonſt hatte ſie ſo vieles Gepaͤcke mitgebracht, ja es war ihr noch manches ge¬ folgt. Sie hatte ſich auf eine unendliche Abwechſelung in Kleidern vorgeſehen. Wenn es ihr Vergnuͤgen machte, ſich des Tags drey viermal umzuziehen und mit gewoͤhnlichen, in der Geſellſchaft uͤblichen Kleidern vom Morgen bis in die Nacht zu wechſeln; ſo erſchien ſie dazwiſchen wohl auch einmal im wirklichen Maskenkleid, als Baͤuerinn und Fiſcherinn, als Fee und Blumenmaͤdchen. Sie verſchmaͤhte nicht, ſich als alte Frau zu verkleiden, um deſto friſcher ihr junges Ge¬ ſicht aus der Kutte hervorzuzeigen; und wirk¬ lich verwirrte ſie dadurch das Gegenwaͤrtige und das Eingebildete dergeſtalt, daß man ſich mit der Saalnixe verwandt und verſchwaͤgert zu ſeyn glaubte.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw02_1809
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw02_1809/57
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw02_1809/57>, abgerufen am 23.11.2024.