werden; denn sie sey nicht todt, sie könne nicht todt seyn. Man that ihm seinen Wil¬ len, insofern man wenigstens das unterließ was er verboten hatte. Er verlangte sie nicht zu sehen.
Noch ein anderer Schreck ergriff, noch eine andre Sorge beschäftigte die Freunde. Nanny von dem Arzt heftig gescholten, durch Drohungen zum Bekenntniß genöthigt, und nach dem Bekenntniß mit Vorwürfen über¬ häuft, war entflohen. Nach langem Suchen fand man sie wieder; sie schien außer sich zu seyn. Ihre Aeltern nahmen sie zu sich. Die beste Begegnung schien nicht anzuschla¬ gen, man mußte sie einsperren, weil sie wie¬ der zu entfliehen drohte.
Stufenweise gelang es, Eduarden der hef¬ tigsten Verzweiflung zu entreißen, aber nur zu seinem Unglück: denn es ward ihm deut¬ lich, es ward ihm gewiß, daß er das Glück
werden; denn ſie ſey nicht todt, ſie koͤnne nicht todt ſeyn. Man that ihm ſeinen Wil¬ len, inſofern man wenigſtens das unterließ was er verboten hatte. Er verlangte ſie nicht zu ſehen.
Noch ein anderer Schreck ergriff, noch eine andre Sorge beſchaͤftigte die Freunde. Nanny von dem Arzt heftig geſcholten, durch Drohungen zum Bekenntniß genoͤthigt, und nach dem Bekenntniß mit Vorwuͤrfen uͤber¬ haͤuft, war entflohen. Nach langem Suchen fand man ſie wieder; ſie ſchien außer ſich zu ſeyn. Ihre Aeltern nahmen ſie zu ſich. Die beſte Begegnung ſchien nicht anzuſchla¬ gen, man mußte ſie einſperren, weil ſie wie¬ der zu entfliehen drohte.
Stufenweiſe gelang es, Eduarden der hef¬ tigſten Verzweiflung zu entreißen, aber nur zu ſeinem Ungluͤck: denn es ward ihm deut¬ lich, es ward ihm gewiß, daß er das Gluͤck
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0328"n="325"/>
werden; denn ſie ſey nicht todt, ſie koͤnne<lb/>
nicht todt ſeyn. Man that ihm ſeinen Wil¬<lb/>
len, inſofern man wenigſtens das unterließ<lb/>
was er verboten hatte. Er verlangte ſie nicht<lb/>
zu ſehen.</p><lb/><p>Noch ein anderer Schreck ergriff, noch<lb/>
eine andre Sorge beſchaͤftigte die Freunde.<lb/>
Nanny von dem Arzt heftig geſcholten, durch<lb/>
Drohungen zum Bekenntniß genoͤthigt, und<lb/>
nach dem Bekenntniß mit Vorwuͤrfen uͤber¬<lb/>
haͤuft, war entflohen. Nach langem Suchen<lb/>
fand man ſie wieder; ſie ſchien außer ſich<lb/>
zu ſeyn. Ihre Aeltern nahmen ſie zu ſich.<lb/>
Die beſte Begegnung ſchien nicht anzuſchla¬<lb/>
gen, man mußte ſie einſperren, weil ſie wie¬<lb/>
der zu entfliehen drohte.</p><lb/><p>Stufenweiſe gelang es, Eduarden der hef¬<lb/>
tigſten Verzweiflung zu entreißen, aber nur<lb/>
zu ſeinem Ungluͤck: denn es ward ihm deut¬<lb/>
lich, es ward ihm gewiß, daß er das Gluͤck<lb/></p></div></body></text></TEI>
[325/0328]
werden; denn ſie ſey nicht todt, ſie koͤnne
nicht todt ſeyn. Man that ihm ſeinen Wil¬
len, inſofern man wenigſtens das unterließ
was er verboten hatte. Er verlangte ſie nicht
zu ſehen.
Noch ein anderer Schreck ergriff, noch
eine andre Sorge beſchaͤftigte die Freunde.
Nanny von dem Arzt heftig geſcholten, durch
Drohungen zum Bekenntniß genoͤthigt, und
nach dem Bekenntniß mit Vorwuͤrfen uͤber¬
haͤuft, war entflohen. Nach langem Suchen
fand man ſie wieder; ſie ſchien außer ſich
zu ſeyn. Ihre Aeltern nahmen ſie zu ſich.
Die beſte Begegnung ſchien nicht anzuſchla¬
gen, man mußte ſie einſperren, weil ſie wie¬
der zu entfliehen drohte.
Stufenweiſe gelang es, Eduarden der hef¬
tigſten Verzweiflung zu entreißen, aber nur
zu ſeinem Ungluͤck: denn es ward ihm deut¬
lich, es ward ihm gewiß, daß er das Gluͤck
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809, S. 325. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw02_1809/328>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.