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Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809.

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folge dir hinüber: da werden wir mit an¬
dern Sprachen reden!

Sie drückt ihm kräftig die Hand, sie
blickt ihn lebevoll und liebevoll an, und nach
einem tiefen Athemzug, nach einer himmli¬
schen, stummen Bewegung der Lippen: Ver¬
sprich mir zu leben! ruft sie aus, mit holder
zärtlicher Anstrengung, doch gleich sinkt sie
zurück. Ich versprech' es! rief er ihr ent¬
gegen, doch er rief es ihr nur nach; sie war
schon abgeschieden.

Nach einer thränenvollen Nacht fiel die
Sorge, die geliebten Reste zu bestatten, Char¬
lotten anheim. Der Major und Mittler stan¬
den ihr bey. Eduards Zustand war zu be¬
jammern. Wie er sich aus seiner Verzweif¬
lung nur hervorheben und einigermaßen be¬
sinnen konnte, bestand er darauf: Ottilie soll¬
te nicht aus dem Schlosse gebracht, sie sollte
gewartet, gepflegt, als eine Lebende behandelt

folge dir hinuͤber: da werden wir mit an¬
dern Sprachen reden!

Sie druͤckt ihm kraͤftig die Hand, ſie
blickt ihn lebevoll und liebevoll an, und nach
einem tiefen Athemzug, nach einer himmli¬
ſchen, ſtummen Bewegung der Lippen: Ver¬
ſprich mir zu leben! ruft ſie aus, mit holder
zaͤrtlicher Anſtrengung, doch gleich ſinkt ſie
zuruͤck. Ich verſprech' es! rief er ihr ent¬
gegen, doch er rief es ihr nur nach; ſie war
ſchon abgeſchieden.

Nach einer thraͤnenvollen Nacht fiel die
Sorge, die geliebten Reſte zu beſtatten, Char¬
lotten anheim. Der Major und Mittler ſtan¬
den ihr bey. Eduards Zuſtand war zu be¬
jammern. Wie er ſich aus ſeiner Verzweif¬
lung nur hervorheben und einigermaßen be¬
ſinnen konnte, beſtand er darauf: Ottilie ſoll¬
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[324/0327] folge dir hinuͤber: da werden wir mit an¬ dern Sprachen reden! Sie druͤckt ihm kraͤftig die Hand, ſie blickt ihn lebevoll und liebevoll an, und nach einem tiefen Athemzug, nach einer himmli¬ ſchen, ſtummen Bewegung der Lippen: Ver¬ ſprich mir zu leben! ruft ſie aus, mit holder zaͤrtlicher Anſtrengung, doch gleich ſinkt ſie zuruͤck. Ich verſprech' es! rief er ihr ent¬ gegen, doch er rief es ihr nur nach; ſie war ſchon abgeſchieden. Nach einer thraͤnenvollen Nacht fiel die Sorge, die geliebten Reſte zu beſtatten, Char¬ lotten anheim. Der Major und Mittler ſtan¬ den ihr bey. Eduards Zuſtand war zu be¬ jammern. Wie er ſich aus ſeiner Verzweif¬ lung nur hervorheben und einigermaßen be¬ ſinnen konnte, beſtand er darauf: Ottilie ſoll¬ te nicht aus dem Schloſſe gebracht, ſie ſollte gewartet, gepflegt, als eine Lebende behandelt

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809, S. 324. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw02_1809/327>, abgerufen am 22.11.2024.