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Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809.

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ihm schädlich seyn kann, rette ihn mit deiner
eigenen Gefahr; wenn du ihn beschädigst,
denke daß du dich selbst beschädigst: das sind
Gebote wie sie unter gebildeten vernünftigen
Völkern Statt haben, und die man bey der
Catechismuslehre nur kümmerlich in dem
Wasistdas nachschleppt.

Und nun gar das sechste, das finde ich
ganz abscheulich! Was? die Neugierde vor¬
ahndender Kinder auf gefährliche Mysterien
reizen, ihre Einbildungskraft zu wunderlichen
Bildern und Vorstellungen aufregen, die ge¬
rade das was man entfernen will, mit Ge¬
walt heranbringen! Weit besser wäre es, daß
dergleichen von einem heimlichen Gericht will¬
kührlich bestraft würde, als daß man vor
Kirch' und Gemeinde davon plappern läßt.

In dem Augenblick trat Ottilie herein --
Du sollst nicht ehebrechen, fuhr Mittler fort:
Wie grob, wie unanständig! Klänge es nicht

ihm ſchaͤdlich ſeyn kann, rette ihn mit deiner
eigenen Gefahr; wenn du ihn beſchaͤdigſt,
denke daß du dich ſelbſt beſchaͤdigſt: das ſind
Gebote wie ſie unter gebildeten vernuͤnftigen
Voͤlkern Statt haben, und die man bey der
Catechismuslehre nur kuͤmmerlich in dem
Wasiſtdas nachſchleppt.

Und nun gar das ſechſte, das finde ich
ganz abſcheulich! Was? die Neugierde vor¬
ahndender Kinder auf gefaͤhrliche Myſterien
reizen, ihre Einbildungskraft zu wunderlichen
Bildern und Vorſtellungen aufregen, die ge¬
rade das was man entfernen will, mit Ge¬
walt heranbringen! Weit beſſer waͤre es, daß
dergleichen von einem heimlichen Gericht will¬
kuͤhrlich beſtraft wuͤrde, als daß man vor
Kirch' und Gemeinde davon plappern laͤßt.

In dem Augenblick trat Ottilie herein —
Du ſollſt nicht ehebrechen, fuhr Mittler fort:
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[319/0322] ihm ſchaͤdlich ſeyn kann, rette ihn mit deiner eigenen Gefahr; wenn du ihn beſchaͤdigſt, denke daß du dich ſelbſt beſchaͤdigſt: das ſind Gebote wie ſie unter gebildeten vernuͤnftigen Voͤlkern Statt haben, und die man bey der Catechismuslehre nur kuͤmmerlich in dem Wasiſtdas nachſchleppt. Und nun gar das ſechſte, das finde ich ganz abſcheulich! Was? die Neugierde vor¬ ahndender Kinder auf gefaͤhrliche Myſterien reizen, ihre Einbildungskraft zu wunderlichen Bildern und Vorſtellungen aufregen, die ge¬ rade das was man entfernen will, mit Ge¬ walt heranbringen! Weit beſſer waͤre es, daß dergleichen von einem heimlichen Gericht will¬ kuͤhrlich beſtraft wuͤrde, als daß man vor Kirch' und Gemeinde davon plappern laͤßt. In dem Augenblick trat Ottilie herein — Du ſollſt nicht ehebrechen, fuhr Mittler fort: Wie grob, wie unanſtaͤndig! Klaͤnge es nicht

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809, S. 319. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw02_1809/322>, abgerufen am 24.11.2024.