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Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809.

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ganz anders wenn es hieße: Du sollst Ehr¬
furcht haben vor der ehelichen Verbindung;
wo du Gatten siehst die sich lieben, sollst du
dich darüber freuen und Theil daran nehmen
wie an dem Glück eines heitern Tages. Soll¬
te sich irgend in ihrem Verhältniß etwas trü¬
ben, so sollst du suchen es aufzuklären; du
sollst suchen sie zu begütigen, sie zu besänfti¬
gen, ihnen ihre wechselseitigen Vortheile deut¬
lich zu machen, und mit schöner Uneigen¬
nützigkeit das Wohl der andern fördern, in¬
dem du ihnen fühlbar machst was für ein
Glück aus jeder Pflicht und besonders aus
dieser entspringt, welche Mann und Weib
unauflöslich verbindet.

Charlotte saß wie auf Kohlen, und der
Zustand war ihr um so ängstlicher als sie
überzeugt war, daß Mittler nicht wußte was
und wo er's sagte, und ehe sie ihn noch un¬
terbrechen konnte, sah sie schon Ottilien, deren

ganz anders wenn es hieße: Du ſollſt Ehr¬
furcht haben vor der ehelichen Verbindung;
wo du Gatten ſiehſt die ſich lieben, ſollſt du
dich daruͤber freuen und Theil daran nehmen
wie an dem Gluͤck eines heitern Tages. Soll¬
te ſich irgend in ihrem Verhaͤltniß etwas truͤ¬
ben, ſo ſollſt du ſuchen es aufzuklaͤren; du
ſollſt ſuchen ſie zu beguͤtigen, ſie zu beſaͤnfti¬
gen, ihnen ihre wechſelſeitigen Vortheile deut¬
lich zu machen, und mit ſchoͤner Uneigen¬
nuͤtzigkeit das Wohl der andern foͤrdern, in¬
dem du ihnen fuͤhlbar machſt was fuͤr ein
Gluͤck aus jeder Pflicht und beſonders aus
dieſer entſpringt, welche Mann und Weib
unaufloͤslich verbindet.

Charlotte ſaß wie auf Kohlen, und der
Zuſtand war ihr um ſo aͤngſtlicher als ſie
uͤberzeugt war, daß Mittler nicht wußte was
und wo er's ſagte, und ehe ſie ihn noch un¬
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[320/0323] ganz anders wenn es hieße: Du ſollſt Ehr¬ furcht haben vor der ehelichen Verbindung; wo du Gatten ſiehſt die ſich lieben, ſollſt du dich daruͤber freuen und Theil daran nehmen wie an dem Gluͤck eines heitern Tages. Soll¬ te ſich irgend in ihrem Verhaͤltniß etwas truͤ¬ ben, ſo ſollſt du ſuchen es aufzuklaͤren; du ſollſt ſuchen ſie zu beguͤtigen, ſie zu beſaͤnfti¬ gen, ihnen ihre wechſelſeitigen Vortheile deut¬ lich zu machen, und mit ſchoͤner Uneigen¬ nuͤtzigkeit das Wohl der andern foͤrdern, in¬ dem du ihnen fuͤhlbar machſt was fuͤr ein Gluͤck aus jeder Pflicht und beſonders aus dieſer entſpringt, welche Mann und Weib unaufloͤslich verbindet. Charlotte ſaß wie auf Kohlen, und der Zuſtand war ihr um ſo aͤngſtlicher als ſie uͤberzeugt war, daß Mittler nicht wußte was und wo er's ſagte, und ehe ſie ihn noch un¬ terbrechen konnte, ſah ſie ſchon Ottilien, deren

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809, S. 320. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw02_1809/323>, abgerufen am 07.05.2024.