Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809.

Bild:
<< vorherige Seite

Besonders hat es in diesem Falle manche
Schwierigkeit, einen ernsten Gegenstand zu
erheitern und bey einem unerfreulichen nicht
ins Unerfreuliche zu gerathen. Was Ent¬
würfe zu Monumenten aller Art betrifft, de¬
ren habe ich viele gesammelt und zeige sie gele¬
gentlich; doch bleibt immer das schönste Denk¬
mal des Menschen eigenes Bildniß. Dieses giebt
mehr als irgend etwas anders einen Begriff
von dem was er war; es ist der beste Text
zu vielen oder wenigen Noten: nur müßte es
aber auch in seiner besten Zeit gemacht seyn,
welches gewöhnlich versäumt wird. Niemand
denkt daran lebende Formen zu erhalten, und
wenn es geschieht, so geschieht es auf unzu¬
längliche Weise. Da wird ein Todter ge¬
schwind noch abgegossen und eine solche
Maske auf einen Block gesetzt, und das
heißt man eine Büste. Wie selten ist der
Künstler im Stande sie völlig wieder zu be¬
leben!

Beſonders hat es in dieſem Falle manche
Schwierigkeit, einen ernſten Gegenſtand zu
erheitern und bey einem unerfreulichen nicht
ins Unerfreuliche zu gerathen. Was Ent¬
wuͤrfe zu Monumenten aller Art betrifft, de¬
ren habe ich viele geſammelt und zeige ſie gele¬
gentlich; doch bleibt immer das ſchoͤnſte Denk¬
mal des Menſchen eigenes Bildniß. Dieſes giebt
mehr als irgend etwas anders einen Begriff
von dem was er war; es iſt der beſte Text
zu vielen oder wenigen Noten: nur muͤßte es
aber auch in ſeiner beſten Zeit gemacht ſeyn,
welches gewoͤhnlich verſaͤumt wird. Niemand
denkt daran lebende Formen zu erhalten, und
wenn es geſchieht, ſo geſchieht es auf unzu¬
laͤngliche Weiſe. Da wird ein Todter ge¬
ſchwind noch abgegoſſen und eine ſolche
Maske auf einen Block geſetzt, und das
heißt man eine Buͤſte. Wie ſelten iſt der
Kuͤnſtler im Stande ſie voͤllig wieder zu be¬
leben!

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0019" n="16"/>
Be&#x017F;onders hat es in die&#x017F;em Falle manche<lb/>
Schwierigkeit, einen ern&#x017F;ten Gegen&#x017F;tand zu<lb/>
erheitern und bey einem unerfreulichen nicht<lb/>
ins Unerfreuliche zu gerathen. Was Ent¬<lb/>
wu&#x0364;rfe zu Monumenten aller Art betrifft, de¬<lb/>
ren habe ich viele ge&#x017F;ammelt und zeige &#x017F;ie gele¬<lb/>
gentlich; doch bleibt immer das &#x017F;cho&#x0364;n&#x017F;te Denk¬<lb/>
mal des Men&#x017F;chen eigenes Bildniß. Die&#x017F;es giebt<lb/>
mehr als irgend etwas anders einen Begriff<lb/>
von dem was er war; es i&#x017F;t der be&#x017F;te Text<lb/>
zu vielen oder wenigen Noten: nur mu&#x0364;ßte es<lb/>
aber auch in &#x017F;einer be&#x017F;ten Zeit gemacht &#x017F;eyn,<lb/>
welches gewo&#x0364;hnlich ver&#x017F;a&#x0364;umt wird. Niemand<lb/>
denkt daran lebende Formen zu erhalten, und<lb/>
wenn es ge&#x017F;chieht, &#x017F;o ge&#x017F;chieht es auf unzu¬<lb/>
la&#x0364;ngliche Wei&#x017F;e. Da wird ein Todter ge¬<lb/>
&#x017F;chwind noch abgego&#x017F;&#x017F;en und eine &#x017F;olche<lb/>
Maske auf einen Block ge&#x017F;etzt, und das<lb/>
heißt man eine Bu&#x0364;&#x017F;te. Wie &#x017F;elten i&#x017F;t der<lb/>
Ku&#x0364;n&#x017F;tler im Stande &#x017F;ie vo&#x0364;llig wieder zu be¬<lb/>
leben!</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[16/0019] Beſonders hat es in dieſem Falle manche Schwierigkeit, einen ernſten Gegenſtand zu erheitern und bey einem unerfreulichen nicht ins Unerfreuliche zu gerathen. Was Ent¬ wuͤrfe zu Monumenten aller Art betrifft, de¬ ren habe ich viele geſammelt und zeige ſie gele¬ gentlich; doch bleibt immer das ſchoͤnſte Denk¬ mal des Menſchen eigenes Bildniß. Dieſes giebt mehr als irgend etwas anders einen Begriff von dem was er war; es iſt der beſte Text zu vielen oder wenigen Noten: nur muͤßte es aber auch in ſeiner beſten Zeit gemacht ſeyn, welches gewoͤhnlich verſaͤumt wird. Niemand denkt daran lebende Formen zu erhalten, und wenn es geſchieht, ſo geſchieht es auf unzu¬ laͤngliche Weiſe. Da wird ein Todter ge¬ ſchwind noch abgegoſſen und eine ſolche Maske auf einen Block geſetzt, und das heißt man eine Buͤſte. Wie ſelten iſt der Kuͤnſtler im Stande ſie voͤllig wieder zu be¬ leben!

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw02_1809
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw02_1809/19
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw02_1809/19>, abgerufen am 24.04.2024.