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Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809.

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Auf alle Fälle, versetzte Ottilie, wäre es
nicht übel, wenn man künftig in das Büch¬
lein von guten Sitten, nach den Kapiteln,
wie man sich in Gesellschaft beym Essen und
Trinken benehmen soll, ein recht umständliches
einschöbe, wie man sich in Kunstsammlungen
und Museen zu betragen habe.

Gewiß, versetzte der Architect, würden
alsdann Custoden und Liebhaber ihre Selten¬
heiten fröhlicher mittheilen.

Ottilie hatte ihm schon lange verziehen,
als er sich aber den Vorwurf sehr zu Herzen
zu nehmen schien und immer aufs Neue be¬
theuerte, daß er gewiß gerne mittheile, gern
für Freunde thätig sey; so empfand sie, daß
sie sein zartes Gemüth verletzt habe, und fühlte
sich als seine Schuldnerinn. Nicht wohl
konnte sie ihm daher eine Bitte rund abschla¬
gen, die er in Gefolg dieses Gesprächs an
sie that, ob sie gleich, indem sie schnell ihr

II. 8

Auf alle Faͤlle, verſetzte Ottilie, waͤre es
nicht uͤbel, wenn man kuͤnftig in das Buͤch¬
lein von guten Sitten, nach den Kapiteln,
wie man ſich in Geſellſchaft beym Eſſen und
Trinken benehmen ſoll, ein recht umſtaͤndliches
einſchoͤbe, wie man ſich in Kunſtſammlungen
und Muſeen zu betragen habe.

Gewiß, verſetzte der Architect, wuͤrden
alsdann Cuſtoden und Liebhaber ihre Selten¬
heiten froͤhlicher mittheilen.

Ottilie hatte ihm ſchon lange verziehen,
als er ſich aber den Vorwurf ſehr zu Herzen
zu nehmen ſchien und immer aufs Neue be¬
theuerte, daß er gewiß gerne mittheile, gern
fuͤr Freunde thaͤtig ſey; ſo empfand ſie, daß
ſie ſein zartes Gemuͤth verletzt habe, und fuͤhlte
ſich als ſeine Schuldnerinn. Nicht wohl
konnte ſie ihm daher eine Bitte rund abſchla¬
gen, die er in Gefolg dieſes Geſpraͤchs an
ſie that, ob ſie gleich, indem ſie ſchnell ihr

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[113/0116] Auf alle Faͤlle, verſetzte Ottilie, waͤre es nicht uͤbel, wenn man kuͤnftig in das Buͤch¬ lein von guten Sitten, nach den Kapiteln, wie man ſich in Geſellſchaft beym Eſſen und Trinken benehmen ſoll, ein recht umſtaͤndliches einſchoͤbe, wie man ſich in Kunſtſammlungen und Muſeen zu betragen habe. Gewiß, verſetzte der Architect, wuͤrden alsdann Cuſtoden und Liebhaber ihre Selten¬ heiten froͤhlicher mittheilen. Ottilie hatte ihm ſchon lange verziehen, als er ſich aber den Vorwurf ſehr zu Herzen zu nehmen ſchien und immer aufs Neue be¬ theuerte, daß er gewiß gerne mittheile, gern fuͤr Freunde thaͤtig ſey; ſo empfand ſie, daß ſie ſein zartes Gemuͤth verletzt habe, und fuͤhlte ſich als ſeine Schuldnerinn. Nicht wohl konnte ſie ihm daher eine Bitte rund abſchla¬ gen, die er in Gefolg dieſes Geſpraͤchs an ſie that, ob ſie gleich, indem ſie ſchnell ihr II. 8

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw02_1809/116>, abgerufen am 05.05.2024.