Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809.

Bild:
<< vorherige Seite

lich in die bunte glänzende Gesellschaft; und
vielleicht wäre auch das noch gelungen, wenn
nicht die Societät selbst, aus Neugierde
und Apprehension, sich ungeschickt benommen,
sich um die Kranke versammelt, sie wieder
gemieden, sie durch Flüstern, Köpfe zusam¬
menstecken irre gemacht und aufgeregt hätte.
Die zart Empfindende ertrug das nicht. Sie
entwich unter fürchterlichem Schreyen, das
gleichsam ein Entsetzen vor einem eindrin¬
genden Ungeheuren auszudrücken schien. Er¬
schreckt fuhr die Gesellschaft nach allen Seiten
auseinander, und Ottilie war unter denen,
welche die völlig Ohnmächtige wieder auf ihr
Zimmer begleiteten.

Indessen hatte Luciane eine starke Straf¬
rede nach ihrer Weise an die Gesellschaft gehal¬
ten, ohne im mindesten daran zu denken,
daß sie allein alle Schuld habe, und ohne
sich durch dieses und andres Mißlingen von
ihrem Thun und Treiben abhalten zu lassen.

lich in die bunte glaͤnzende Geſellſchaft; und
vielleicht waͤre auch das noch gelungen, wenn
nicht die Societaͤt ſelbſt, aus Neugierde
und Apprehenſion, ſich ungeſchickt benommen,
ſich um die Kranke verſammelt, ſie wieder
gemieden, ſie durch Fluͤſtern, Koͤpfe zuſam¬
menſtecken irre gemacht und aufgeregt haͤtte.
Die zart Empfindende ertrug das nicht. Sie
entwich unter fuͤrchterlichem Schreyen, das
gleichſam ein Entſetzen vor einem eindrin¬
genden Ungeheuren auszudruͤcken ſchien. Er¬
ſchreckt fuhr die Geſellſchaft nach allen Seiten
auseinander, und Ottilie war unter denen,
welche die voͤllig Ohnmaͤchtige wieder auf ihr
Zimmer begleiteten.

Indeſſen hatte Luciane eine ſtarke Straf¬
rede nach ihrer Weiſe an die Geſellſchaft gehal¬
ten, ohne im mindeſten daran zu denken,
daß ſie allein alle Schuld habe, und ohne
ſich durch dieſes und andres Mißlingen von
ihrem Thun und Treiben abhalten zu laſſen.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0112" n="109"/>
lich in die bunte gla&#x0364;nzende Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft; und<lb/>
vielleicht wa&#x0364;re auch das noch gelungen, wenn<lb/>
nicht die Societa&#x0364;t &#x017F;elb&#x017F;t, aus Neugierde<lb/>
und Apprehen&#x017F;ion, &#x017F;ich unge&#x017F;chickt benommen,<lb/>
&#x017F;ich um die Kranke ver&#x017F;ammelt, &#x017F;ie wieder<lb/>
gemieden, &#x017F;ie durch Flu&#x0364;&#x017F;tern, Ko&#x0364;pfe zu&#x017F;am¬<lb/>
men&#x017F;tecken irre gemacht und aufgeregt ha&#x0364;tte.<lb/>
Die zart Empfindende ertrug das nicht. Sie<lb/>
entwich unter fu&#x0364;rchterlichem Schreyen, das<lb/>
gleich&#x017F;am ein Ent&#x017F;etzen vor einem eindrin¬<lb/>
genden Ungeheuren auszudru&#x0364;cken &#x017F;chien. Er¬<lb/>
&#x017F;chreckt fuhr die Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft nach allen Seiten<lb/>
auseinander, und Ottilie war unter denen,<lb/>
welche die vo&#x0364;llig Ohnma&#x0364;chtige wieder auf ihr<lb/>
Zimmer begleiteten.</p><lb/>
        <p>Inde&#x017F;&#x017F;en hatte Luciane eine &#x017F;tarke Straf¬<lb/>
rede nach ihrer Wei&#x017F;e an die Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft gehal¬<lb/>
ten, ohne im minde&#x017F;ten daran zu denken,<lb/>
daß &#x017F;ie allein alle Schuld habe, und ohne<lb/>
&#x017F;ich durch die&#x017F;es und andres Mißlingen von<lb/>
ihrem Thun und Treiben abhalten zu la&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[109/0112] lich in die bunte glaͤnzende Geſellſchaft; und vielleicht waͤre auch das noch gelungen, wenn nicht die Societaͤt ſelbſt, aus Neugierde und Apprehenſion, ſich ungeſchickt benommen, ſich um die Kranke verſammelt, ſie wieder gemieden, ſie durch Fluͤſtern, Koͤpfe zuſam¬ menſtecken irre gemacht und aufgeregt haͤtte. Die zart Empfindende ertrug das nicht. Sie entwich unter fuͤrchterlichem Schreyen, das gleichſam ein Entſetzen vor einem eindrin¬ genden Ungeheuren auszudruͤcken ſchien. Er¬ ſchreckt fuhr die Geſellſchaft nach allen Seiten auseinander, und Ottilie war unter denen, welche die voͤllig Ohnmaͤchtige wieder auf ihr Zimmer begleiteten. Indeſſen hatte Luciane eine ſtarke Straf¬ rede nach ihrer Weiſe an die Geſellſchaft gehal¬ ten, ohne im mindeſten daran zu denken, daß ſie allein alle Schuld habe, und ohne ſich durch dieſes und andres Mißlingen von ihrem Thun und Treiben abhalten zu laſſen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw02_1809
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw02_1809/112
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw02_1809/112>, abgerufen am 25.11.2024.