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Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 1. Tübingen, 1809.

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Da sind die Chemiker viel galanter, sagte
Eduard: sie gesellen ein viertes dazu, damit
keines leer ausgehe.

Ja wohl! versetzte der Hauptmann: diese
Fälle sind allerdings die bedeutendsten und
merkwürdigsten, wo man das Anziehen, das
Verwandtseyn, dieses Verlassen, dieses Ver¬
einigen gleichsam übers Kreuz, wirklich dar¬
stellen kann; wo vier, bisher je zwey zu zwey
verbundene Wesen in Berührung gebracht,
ihre bisherige Vereinigung verlassen und sich
aufs neue verbinden. In diesem Fahrenlassen
und Ergreifen, in diesem Fliehen und Suchen,
glaubt man wirklich eine höhere Bestimmung
zu sehen; man traut solchen Wesen eine Art
von Wollen und Wählen zu, und hält das
Kunstwort Wahlverwandtschaften vollkommen
gerechtfertigt.

Beschreiben Sie mir einen solchen Fall,
sagte Charlotte.

Da ſind die Chemiker viel galanter, ſagte
Eduard: ſie geſellen ein viertes dazu, damit
keines leer ausgehe.

Ja wohl! verſetzte der Hauptmann: dieſe
Faͤlle ſind allerdings die bedeutendſten und
merkwuͤrdigſten, wo man das Anziehen, das
Verwandtſeyn, dieſes Verlaſſen, dieſes Ver¬
einigen gleichſam uͤbers Kreuz, wirklich dar¬
ſtellen kann; wo vier, bisher je zwey zu zwey
verbundene Weſen in Beruͤhrung gebracht,
ihre bisherige Vereinigung verlaſſen und ſich
aufs neue verbinden. In dieſem Fahrenlaſſen
und Ergreifen, in dieſem Fliehen und Suchen,
glaubt man wirklich eine hoͤhere Beſtimmung
zu ſehen; man traut ſolchen Weſen eine Art
von Wollen und Waͤhlen zu, und haͤlt das
Kunſtwort Wahlverwandtſchaften vollkommen
gerechtfertigt.

Beſchreiben Sie mir einen ſolchen Fall,
ſagte Charlotte.

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[88/0093] Da ſind die Chemiker viel galanter, ſagte Eduard: ſie geſellen ein viertes dazu, damit keines leer ausgehe. Ja wohl! verſetzte der Hauptmann: dieſe Faͤlle ſind allerdings die bedeutendſten und merkwuͤrdigſten, wo man das Anziehen, das Verwandtſeyn, dieſes Verlaſſen, dieſes Ver¬ einigen gleichſam uͤbers Kreuz, wirklich dar¬ ſtellen kann; wo vier, bisher je zwey zu zwey verbundene Weſen in Beruͤhrung gebracht, ihre bisherige Vereinigung verlaſſen und ſich aufs neue verbinden. In dieſem Fahrenlaſſen und Ergreifen, in dieſem Fliehen und Suchen, glaubt man wirklich eine hoͤhere Beſtimmung zu ſehen; man traut ſolchen Weſen eine Art von Wollen und Waͤhlen zu, und haͤlt das Kunſtwort Wahlverwandtſchaften vollkommen gerechtfertigt. Beſchreiben Sie mir einen ſolchen Fall, ſagte Charlotte.

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 1. Tübingen, 1809, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw01_1809/93>, abgerufen am 23.11.2024.