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Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 1. Tübingen, 1809.

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werk vollkommen und hörte nicht auf, ihr
von Eduard vorzusprechen.

Als Ottilie sich freute, daß die Pfropfreiser
dieses Frühjahrs alle so gar schön bekommen,
erwiederte der Gärtner bedenklich: ich wünsche
nur, daß der gute Herr viel Freude daran
erleben möge. Wäre er diesen Herbst hier,
so würde er sehen, was für köstliche Sorten
noch von seinem Herrn Vater her im alten
Schloßgarten stehen. Die jetzigen Herren
Obstgärtner sind nicht so zuverlässig als sonst
die Carthäuser waren. In den Catalogen
findet man wohl lauter honette Namen.
Man pfropft und erzieht und endlich wenn
sie Früchte tragen, so ist es nicht der
Mühe werth, daß solche Bäume im Garten
stehen.

Am wiederhohltesten aber fragte der treue
Diener, fast so oft er Ottilien sah, nach der
Rückkunft des Herrn, und nach dem Termin
derselben. Und wenn Ottilie ihn nicht ange¬
ben konnte, so ließ ihr der gute Mann nicht

werk vollkommen und hoͤrte nicht auf, ihr
von Eduard vorzuſprechen.

Als Ottilie ſich freute, daß die Pfropfreiſer
dieſes Fruͤhjahrs alle ſo gar ſchoͤn bekommen,
erwiederte der Gaͤrtner bedenklich: ich wuͤnſche
nur, daß der gute Herr viel Freude daran
erleben moͤge. Waͤre er dieſen Herbſt hier,
ſo wuͤrde er ſehen, was fuͤr koͤſtliche Sorten
noch von ſeinem Herrn Vater her im alten
Schloßgarten ſtehen. Die jetzigen Herren
Obſtgaͤrtner ſind nicht ſo zuverlaͤſſig als ſonſt
die Carthaͤuſer waren. In den Catalogen
findet man wohl lauter honette Namen.
Man pfropft und erzieht und endlich wenn
ſie Fruͤchte tragen, ſo iſt es nicht der
Muͤhe werth, daß ſolche Baͤume im Garten
ſtehen.

Am wiederhohlteſten aber fragte der treue
Diener, faſt ſo oft er Ottilien ſah, nach der
Ruͤckkunft des Herrn, und nach dem Termin
derſelben. Und wenn Ottilie ihn nicht ange¬
ben konnte, ſo ließ ihr der gute Mann nicht

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[283/0288] werk vollkommen und hoͤrte nicht auf, ihr von Eduard vorzuſprechen. Als Ottilie ſich freute, daß die Pfropfreiſer dieſes Fruͤhjahrs alle ſo gar ſchoͤn bekommen, erwiederte der Gaͤrtner bedenklich: ich wuͤnſche nur, daß der gute Herr viel Freude daran erleben moͤge. Waͤre er dieſen Herbſt hier, ſo wuͤrde er ſehen, was fuͤr koͤſtliche Sorten noch von ſeinem Herrn Vater her im alten Schloßgarten ſtehen. Die jetzigen Herren Obſtgaͤrtner ſind nicht ſo zuverlaͤſſig als ſonſt die Carthaͤuſer waren. In den Catalogen findet man wohl lauter honette Namen. Man pfropft und erzieht und endlich wenn ſie Fruͤchte tragen, ſo iſt es nicht der Muͤhe werth, daß ſolche Baͤume im Garten ſtehen. Am wiederhohlteſten aber fragte der treue Diener, faſt ſo oft er Ottilien ſah, nach der Ruͤckkunft des Herrn, und nach dem Termin derſelben. Und wenn Ottilie ihn nicht ange¬ ben konnte, ſo ließ ihr der gute Mann nicht

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 1. Tübingen, 1809, S. 283. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw01_1809/288>, abgerufen am 24.11.2024.