Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 1. Tübingen, 1809.nur im Allgemeinsten kannte. Sie hatten nur im Allgemeinſten kannte. Sie hatten <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0170" n="165"/> nur im Allgemeinſten kannte. Sie hatten<lb/> fruͤher, beyde ſchon anderwaͤrts verheiratet,<lb/> ſich leidenſchaftlich liebgewonnen. Eine dop¬<lb/> pelte Ehe war nicht ohne Aufſehn geſtoͤrt;<lb/> man dachte an Scheidung. Bey der Baro¬<lb/> neſſe war ſie moͤglich geworden, bey dem<lb/> Grafen nicht. Sie mußten ſich zum Scheine<lb/> trennen, allein ihr Verhaͤltniß blieb; und<lb/> wenn ſie Winters in der Reſidenz nicht zuſam¬<lb/> menſeyn konnten, ſo entſchaͤdigten ſie ſich<lb/> Sommers auf Luſtreiſen und in Baͤdern. Sie<lb/> waren beyde um etwas aͤlter als Eduard und<lb/> Charlotte und ſaͤmmtlich genaue Freunde aus<lb/> fruͤher Hofzeit her. Man hatte immer ein gu¬<lb/> tes Verhaͤltniß erhalten, ob man gleich nicht<lb/> alles an ſeinen Freunden billigte. Nur die߬<lb/> mal war Charlotten ihre Ankunft gewiſſer¬<lb/> maßen ganz ungelegen, und wenn ſie die Ur¬<lb/> ſache genau unterſucht haͤtte, es war eigent¬<lb/> lich um Ottiliens willen. Das gute reine<lb/> Kind ſollte ein ſolches Beyſpiel ſo fruͤh nicht<lb/> gewahr werden.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [165/0170]
nur im Allgemeinſten kannte. Sie hatten
fruͤher, beyde ſchon anderwaͤrts verheiratet,
ſich leidenſchaftlich liebgewonnen. Eine dop¬
pelte Ehe war nicht ohne Aufſehn geſtoͤrt;
man dachte an Scheidung. Bey der Baro¬
neſſe war ſie moͤglich geworden, bey dem
Grafen nicht. Sie mußten ſich zum Scheine
trennen, allein ihr Verhaͤltniß blieb; und
wenn ſie Winters in der Reſidenz nicht zuſam¬
menſeyn konnten, ſo entſchaͤdigten ſie ſich
Sommers auf Luſtreiſen und in Baͤdern. Sie
waren beyde um etwas aͤlter als Eduard und
Charlotte und ſaͤmmtlich genaue Freunde aus
fruͤher Hofzeit her. Man hatte immer ein gu¬
tes Verhaͤltniß erhalten, ob man gleich nicht
alles an ſeinen Freunden billigte. Nur die߬
mal war Charlotten ihre Ankunft gewiſſer¬
maßen ganz ungelegen, und wenn ſie die Ur¬
ſache genau unterſucht haͤtte, es war eigent¬
lich um Ottiliens willen. Das gute reine
Kind ſollte ein ſolches Beyſpiel ſo fruͤh nicht
gewahr werden.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |