Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 1. Tübingen, 1809.

Bild:
<< vorherige Seite

ohne es aus der Hand zu lassen, und man
sah darauf die Buchstaben E und O in sehr
zierlicher Verschlingung eingeschnitten: es war
eins der Gläser, die für Eduarden in seiner
Jugend verfertigt worden.

Die Gerüste standen wieder leer, und die
leichtesten unter den Gästen stiegen hinauf,
sich umzusehen, und konnten die schöne Aus¬
sicht nach allen Seiten nicht genugsam rüh¬
men: denn was entdeckt der nicht alles, der
auf einem hohen Puncte nur um ein Geschoß
höher steht. Nach dem Innern des Landes
zu kamen mehrere neue Dörfer zum Vorschein;
den silbernen Streifen des Flusses erblickte
man deutlich; ja selbst die Thürme der Haupt¬
stadt wollte Einer gewahr werden. An der
Rückseite, hinter den waldigen Hügeln, erho¬
ben sich die blauen Gipfel eines fernen Ge¬
birges, und die nächste Gegend übersah man
im Ganzen. Nun sollten nur noch, rief einer,
die drey Teiche zu einem See vereinigt wer¬

I. II

ohne es aus der Hand zu laſſen, und man
ſah darauf die Buchſtaben E und O in ſehr
zierlicher Verſchlingung eingeſchnitten: es war
eins der Glaͤſer, die fuͤr Eduarden in ſeiner
Jugend verfertigt worden.

Die Geruͤſte ſtanden wieder leer, und die
leichteſten unter den Gaͤſten ſtiegen hinauf,
ſich umzuſehen, und konnten die ſchoͤne Aus¬
ſicht nach allen Seiten nicht genugſam ruͤh¬
men: denn was entdeckt der nicht alles, der
auf einem hohen Puncte nur um ein Geſchoß
hoͤher ſteht. Nach dem Innern des Landes
zu kamen mehrere neue Doͤrfer zum Vorſchein;
den ſilbernen Streifen des Fluſſes erblickte
man deutlich; ja ſelbſt die Thuͤrme der Haupt¬
ſtadt wollte Einer gewahr werden. An der
Ruͤckſeite, hinter den waldigen Huͤgeln, erho¬
ben ſich die blauen Gipfel eines fernen Ge¬
birges, und die naͤchſte Gegend uͤberſah man
im Ganzen. Nun ſollten nur noch, rief einer,
die drey Teiche zu einem See vereinigt wer¬

I. II
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0166" n="161"/>
ohne es aus der Hand zu la&#x017F;&#x017F;en, und man<lb/>
&#x017F;ah darauf die Buch&#x017F;taben E und O in &#x017F;ehr<lb/>
zierlicher Ver&#x017F;chlingung einge&#x017F;chnitten: es war<lb/>
eins der Gla&#x0364;&#x017F;er, die fu&#x0364;r Eduarden in &#x017F;einer<lb/>
Jugend verfertigt worden.</p><lb/>
        <p>Die Geru&#x0364;&#x017F;te &#x017F;tanden wieder leer, und die<lb/>
leichte&#x017F;ten unter den Ga&#x0364;&#x017F;ten &#x017F;tiegen hinauf,<lb/>
&#x017F;ich umzu&#x017F;ehen, und konnten die &#x017F;cho&#x0364;ne Aus¬<lb/>
&#x017F;icht nach allen Seiten nicht genug&#x017F;am ru&#x0364;<lb/>
men: denn was entdeckt der nicht alles, der<lb/>
auf einem hohen Puncte nur um ein Ge&#x017F;choß<lb/>
ho&#x0364;her &#x017F;teht. Nach dem Innern des Landes<lb/>
zu kamen mehrere neue Do&#x0364;rfer zum Vor&#x017F;chein;<lb/>
den &#x017F;ilbernen Streifen des Flu&#x017F;&#x017F;es erblickte<lb/>
man deutlich; ja &#x017F;elb&#x017F;t die Thu&#x0364;rme der Haupt¬<lb/>
&#x017F;tadt wollte Einer gewahr werden. An der<lb/>
Ru&#x0364;ck&#x017F;eite, hinter den waldigen Hu&#x0364;geln, erho¬<lb/>
ben &#x017F;ich die blauen Gipfel eines fernen Ge¬<lb/>
birges, und die na&#x0364;ch&#x017F;te Gegend u&#x0364;ber&#x017F;ah man<lb/>
im Ganzen. Nun &#x017F;ollten nur noch, rief einer,<lb/>
die drey Teiche zu einem See vereinigt wer¬<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#aq">I</hi>. <hi rendition="#aq">II</hi><lb/></fw>
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[161/0166] ohne es aus der Hand zu laſſen, und man ſah darauf die Buchſtaben E und O in ſehr zierlicher Verſchlingung eingeſchnitten: es war eins der Glaͤſer, die fuͤr Eduarden in ſeiner Jugend verfertigt worden. Die Geruͤſte ſtanden wieder leer, und die leichteſten unter den Gaͤſten ſtiegen hinauf, ſich umzuſehen, und konnten die ſchoͤne Aus¬ ſicht nach allen Seiten nicht genugſam ruͤh¬ men: denn was entdeckt der nicht alles, der auf einem hohen Puncte nur um ein Geſchoß hoͤher ſteht. Nach dem Innern des Landes zu kamen mehrere neue Doͤrfer zum Vorſchein; den ſilbernen Streifen des Fluſſes erblickte man deutlich; ja ſelbſt die Thuͤrme der Haupt¬ ſtadt wollte Einer gewahr werden. An der Ruͤckſeite, hinter den waldigen Huͤgeln, erho¬ ben ſich die blauen Gipfel eines fernen Ge¬ birges, und die naͤchſte Gegend uͤberſah man im Ganzen. Nun ſollten nur noch, rief einer, die drey Teiche zu einem See vereinigt wer¬ I. II

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw01_1809
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw01_1809/166
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 1. Tübingen, 1809, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw01_1809/166>, abgerufen am 06.05.2024.