Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 1. Tübingen, 1809.

Bild:
<< vorherige Seite

dung des Steins mit dem Grunde ausdrück¬
lich zu segnen.

Des Maurers Arbeit, fuhr der Redner
fort, zwar jetzt unter freyem Himmel, ge¬
schieht wo nicht immer im Verborgnen doch
zum Verborgnen. Der regelmäßig aufgeführte
Grund wird verschüttet, und sogar bey den
Mauern die wir am Tage aufführen, ist man
unser am Ende kaum eingedenk. Die Arbei¬
ten des Steinmetzen und Bildhauers fallen
mehr in die Augen, und wir müssen es sogar
noch gut heißen, wenn der Tüncher die Spur
unserer Hände völlig auslöscht und sich unser
Werk zueignet, indem er es überzieht, glättet
und färbt.

Wem muß also mehr daran gelegen seyn,
das was er thut sich selbst recht zu machen,
indem er es recht macht, als dem Maurer?
Wer hat mehr als er das Selbstbewußtseyn
zu nähren Ursach? Wenn das Haus aufge¬

dung des Steins mit dem Grunde ausdruͤck¬
lich zu ſegnen.

Des Maurers Arbeit, fuhr der Redner
fort, zwar jetzt unter freyem Himmel, ge¬
ſchieht wo nicht immer im Verborgnen doch
zum Verborgnen. Der regelmaͤßig aufgefuͤhrte
Grund wird verſchuͤttet, und ſogar bey den
Mauern die wir am Tage auffuͤhren, iſt man
unſer am Ende kaum eingedenk. Die Arbei¬
ten des Steinmetzen und Bildhauers fallen
mehr in die Augen, und wir muͤſſen es ſogar
noch gut heißen, wenn der Tuͤncher die Spur
unſerer Haͤnde voͤllig ausloͤſcht und ſich unſer
Werk zueignet, indem er es uͤberzieht, glaͤttet
und faͤrbt.

Wem muß alſo mehr daran gelegen ſeyn,
das was er thut ſich ſelbſt recht zu machen,
indem er es recht macht, als dem Maurer?
Wer hat mehr als er das Selbſtbewußtſeyn
zu naͤhren Urſach? Wenn das Haus aufge¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0160" n="155"/>
dung des Steins mit dem Grunde ausdru&#x0364;ck¬<lb/>
lich zu &#x017F;egnen.</p><lb/>
        <p>Des Maurers Arbeit, fuhr der Redner<lb/>
fort, zwar jetzt unter freyem Himmel, ge¬<lb/>
&#x017F;chieht wo nicht immer im Verborgnen doch<lb/>
zum Verborgnen. Der regelma&#x0364;ßig aufgefu&#x0364;hrte<lb/>
Grund wird ver&#x017F;chu&#x0364;ttet, und &#x017F;ogar bey den<lb/>
Mauern die wir am Tage auffu&#x0364;hren, i&#x017F;t man<lb/>
un&#x017F;er am Ende kaum eingedenk. Die Arbei¬<lb/>
ten des Steinmetzen und Bildhauers fallen<lb/>
mehr in die Augen, und wir mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en es &#x017F;ogar<lb/>
noch gut heißen, wenn der Tu&#x0364;ncher die Spur<lb/>
un&#x017F;erer Ha&#x0364;nde vo&#x0364;llig auslo&#x0364;&#x017F;cht und &#x017F;ich un&#x017F;er<lb/>
Werk zueignet, indem er es u&#x0364;berzieht, gla&#x0364;ttet<lb/>
und fa&#x0364;rbt.</p><lb/>
        <p>Wem muß al&#x017F;o mehr daran gelegen &#x017F;eyn,<lb/>
das was er thut &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t recht zu machen,<lb/>
indem er es recht macht, als dem Maurer?<lb/>
Wer hat mehr als er das Selb&#x017F;tbewußt&#x017F;eyn<lb/>
zu na&#x0364;hren Ur&#x017F;ach? Wenn das Haus aufge¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[155/0160] dung des Steins mit dem Grunde ausdruͤck¬ lich zu ſegnen. Des Maurers Arbeit, fuhr der Redner fort, zwar jetzt unter freyem Himmel, ge¬ ſchieht wo nicht immer im Verborgnen doch zum Verborgnen. Der regelmaͤßig aufgefuͤhrte Grund wird verſchuͤttet, und ſogar bey den Mauern die wir am Tage auffuͤhren, iſt man unſer am Ende kaum eingedenk. Die Arbei¬ ten des Steinmetzen und Bildhauers fallen mehr in die Augen, und wir muͤſſen es ſogar noch gut heißen, wenn der Tuͤncher die Spur unſerer Haͤnde voͤllig ausloͤſcht und ſich unſer Werk zueignet, indem er es uͤberzieht, glaͤttet und faͤrbt. Wem muß alſo mehr daran gelegen ſeyn, das was er thut ſich ſelbſt recht zu machen, indem er es recht macht, als dem Maurer? Wer hat mehr als er das Selbſtbewußtſeyn zu naͤhren Urſach? Wenn das Haus aufge¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw01_1809
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw01_1809/160
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 1. Tübingen, 1809, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw01_1809/160>, abgerufen am 06.05.2024.