daß daraus wieder eine Art von lebendigem Ganzen entsprang, das sich zwar nicht tact¬ gemäß bewegte, aber doch höchst angenehm und gefällig lautete. Der Componist selbst hätte seine Freude daran gehabt, sein Werk auf eine so liebevolle Weise entstellt zu sehen.
Auch diesem wundersamen, unerwarteten Begegniß sahen der Hauptmann und Char¬ lotte stillschweigend mit einer Empfindung zu, wie man oft kindische Handlungen betrachtet, die man wegen ihrer besorglichen Folgen ge¬ rade nicht billigt und doch nicht schelten kann, ja vielleicht beneiden muß. Denn eigentlich war die Neigung dieser beyden eben so gut im Wachsen als jene, und vielleicht nur noch gefährlicher dadurch, daß beyde ernster, siche¬ rer von sich selbst, sich zu halten fähiger waren.
Schon fing der Hauptmann an zu füh¬ len, daß eine unwiderstehliche Gewohnheit ihn
daß daraus wieder eine Art von lebendigem Ganzen entſprang, das ſich zwar nicht tact¬ gemaͤß bewegte, aber doch hoͤchſt angenehm und gefaͤllig lautete. Der Componiſt ſelbſt haͤtte ſeine Freude daran gehabt, ſein Werk auf eine ſo liebevolle Weiſe entſtellt zu ſehen.
Auch dieſem wunderſamen, unerwarteten Begegniß ſahen der Hauptmann und Char¬ lotte ſtillſchweigend mit einer Empfindung zu, wie man oft kindiſche Handlungen betrachtet, die man wegen ihrer beſorglichen Folgen ge¬ rade nicht billigt und doch nicht ſchelten kann, ja vielleicht beneiden muß. Denn eigentlich war die Neigung dieſer beyden eben ſo gut im Wachſen als jene, und vielleicht nur noch gefaͤhrlicher dadurch, daß beyde ernſter, ſiche¬ rer von ſich ſelbſt, ſich zu halten faͤhiger waren.
Schon fing der Hauptmann an zu fuͤh¬ len, daß eine unwiderſtehliche Gewohnheit ihn
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0151"n="146"/>
daß daraus wieder eine Art von lebendigem<lb/>
Ganzen entſprang, das ſich zwar nicht tact¬<lb/>
gemaͤß bewegte, aber doch hoͤchſt angenehm<lb/>
und gefaͤllig lautete. Der Componiſt ſelbſt<lb/>
haͤtte ſeine Freude daran gehabt, ſein Werk<lb/>
auf eine ſo liebevolle Weiſe entſtellt zu ſehen.</p><lb/><p>Auch dieſem wunderſamen, unerwarteten<lb/>
Begegniß ſahen der Hauptmann und Char¬<lb/>
lotte ſtillſchweigend mit einer Empfindung zu,<lb/>
wie man oft kindiſche Handlungen betrachtet,<lb/>
die man wegen ihrer beſorglichen Folgen ge¬<lb/>
rade nicht billigt und doch nicht ſchelten kann,<lb/>
ja vielleicht beneiden muß. Denn eigentlich<lb/>
war die Neigung dieſer beyden eben ſo gut<lb/>
im Wachſen als jene, und vielleicht nur noch<lb/>
gefaͤhrlicher dadurch, daß beyde ernſter, ſiche¬<lb/>
rer von ſich ſelbſt, ſich zu halten faͤhiger<lb/>
waren.</p><lb/><p>Schon fing der Hauptmann an zu fuͤh¬<lb/>
len, daß eine unwiderſtehliche Gewohnheit ihn<lb/></p></div></body></text></TEI>
[146/0151]
daß daraus wieder eine Art von lebendigem
Ganzen entſprang, das ſich zwar nicht tact¬
gemaͤß bewegte, aber doch hoͤchſt angenehm
und gefaͤllig lautete. Der Componiſt ſelbſt
haͤtte ſeine Freude daran gehabt, ſein Werk
auf eine ſo liebevolle Weiſe entſtellt zu ſehen.
Auch dieſem wunderſamen, unerwarteten
Begegniß ſahen der Hauptmann und Char¬
lotte ſtillſchweigend mit einer Empfindung zu,
wie man oft kindiſche Handlungen betrachtet,
die man wegen ihrer beſorglichen Folgen ge¬
rade nicht billigt und doch nicht ſchelten kann,
ja vielleicht beneiden muß. Denn eigentlich
war die Neigung dieſer beyden eben ſo gut
im Wachſen als jene, und vielleicht nur noch
gefaͤhrlicher dadurch, daß beyde ernſter, ſiche¬
rer von ſich ſelbſt, ſich zu halten faͤhiger
waren.
Schon fing der Hauptmann an zu fuͤh¬
len, daß eine unwiderſtehliche Gewohnheit ihn
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 1. Tübingen, 1809, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw01_1809/151>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.