Goethe, Johann Wolfgang von: Torquato Tasso. Leipzig, 1790.Ein Schauspiel. Mich dünkt hier ist die Hoheit erst an ihremPlatz, Der Seele Hoheit! Darf sie sich der Nähe Der Großen dieser Erde nicht erfreun? Sie darf's und soll's. Wir nahen uns dem Fürsten Durch Adel nur, der uns von Vätern kam; Warum nicht durch's Gemüth, das die Natur Nicht jedem groß verlieh, wie sie nicht jedem Die Reihe großer Ahnherrn geben konnte. Nur Kleinheit sollte hier sich ängstlich fühlen, Der Neid, der sich zu seiner Schande zeigt: Wie keiner Spinne schmutziges Gewebe An diesen Marmorwänden haften soll. Antonio. Du zeigst mir selbst mein Recht dich zu ver- schmähn! Der übereilte Knabe will des Mann's Vertraun und Freundschaft mit Gewalt er- trotzen? Unsittlich wie du bist hältst du dich gut? Ein Schauſpiel. Mich dünkt hier iſt die Hoheit erſt an ihremPlatz, Der Seele Hoheit! Darf ſie ſich der Nähe Der Großen dieſer Erde nicht erfreun? Sie darf’s und ſoll’s. Wir nahen uns dem Fürſten Durch Adel nur, der uns von Vätern kam; Warum nicht durch’s Gemüth, das die Natur Nicht jedem groß verlieh, wie ſie nicht jedem Die Reihe großer Ahnherrn geben konnte. Nur Kleinheit ſollte hier ſich ängſtlich fühlen, Der Neid, der ſich zu ſeiner Schande zeigt: Wie keiner Spinne ſchmutziges Gewebe An dieſen Marmorwänden haften ſoll. Antonio. Du zeigſt mir ſelbſt mein Recht dich zu ver- ſchmähn! Der übereilte Knabe will des Mann’s Vertraun und Freundſchaft mit Gewalt er- trotzen? Unſittlich wie du biſt hältſt du dich gut? <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <sp who="#TAS"> <p><pb facs="#f0095" n="87"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Ein Schauſpiel</hi>.</fw><lb/> Mich dünkt hier iſt die Hoheit erſt an ihrem<lb/> Platz,<lb/> Der Seele Hoheit! Darf ſie ſich der Nähe<lb/> Der Großen dieſer Erde nicht erfreun?<lb/> Sie darf’s und ſoll’s. Wir nahen uns dem<lb/> Fürſten<lb/> Durch Adel nur, der uns von Vätern kam;<lb/> Warum nicht durch’s Gemüth, das die Natur<lb/> Nicht jedem groß verlieh, wie ſie nicht jedem<lb/> Die Reihe großer Ahnherrn geben konnte.<lb/> Nur Kleinheit ſollte hier ſich ängſtlich fühlen,<lb/> Der Neid, der ſich zu ſeiner Schande zeigt:<lb/> Wie keiner Spinne ſchmutziges Gewebe<lb/> An dieſen Marmorwänden haften ſoll.</p> </sp><lb/> <sp who="#ANT"> <speaker><hi rendition="#g">Antonio</hi>.</speaker><lb/> <p>Du zeigſt mir ſelbſt mein Recht dich zu ver-<lb/> ſchmähn!<lb/> Der übereilte Knabe will des Mann’s<lb/> Vertraun und Freundſchaft mit Gewalt er-<lb/> trotzen?<lb/> Unſittlich wie du biſt hältſt du dich gut?</p> </sp><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [87/0095]
Ein Schauſpiel.
Mich dünkt hier iſt die Hoheit erſt an ihrem
Platz,
Der Seele Hoheit! Darf ſie ſich der Nähe
Der Großen dieſer Erde nicht erfreun?
Sie darf’s und ſoll’s. Wir nahen uns dem
Fürſten
Durch Adel nur, der uns von Vätern kam;
Warum nicht durch’s Gemüth, das die Natur
Nicht jedem groß verlieh, wie ſie nicht jedem
Die Reihe großer Ahnherrn geben konnte.
Nur Kleinheit ſollte hier ſich ängſtlich fühlen,
Der Neid, der ſich zu ſeiner Schande zeigt:
Wie keiner Spinne ſchmutziges Gewebe
An dieſen Marmorwänden haften ſoll.
Antonio.
Du zeigſt mir ſelbſt mein Recht dich zu ver-
ſchmähn!
Der übereilte Knabe will des Mann’s
Vertraun und Freundſchaft mit Gewalt er-
trotzen?
Unſittlich wie du biſt hältſt du dich gut?
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