Goethe, Johann Wolfgang von: Torquato Tasso. Leipzig, 1790.Torquato Tasso Und mehr verwöhnt sich das Gemüth, undstrebt Die goldne Zeit, die ihm von außen mangelt, In seinem Innern wieder herzustellen, So wenig der Versuch gelingen will. Tasso. O welches Wort spricht meine Fürstinn aus! Die goldne Zeit wohin ist sie geflohn? Nach der sich jedes Herz vergebens sehnt! Da auf der freyen Erde Menschen sich Wie frohe Herden im Genuß verbreiteten; Da ein uralter Baum auf bunter Wiese Dem Hirten und der Hirtinn Schatten gab, Ein jüngeres Gebüsch die zarten Zweige Um sehnsuchtsvolle Liebe traulich schlang; Wo klar und still auf immer reinem Sande Der weiche Fluß die Nymphe sanft umfing; Wo in dem Grase die gescheuchte Schlange Unschädlich sich verlor, der kühne Faun Vom tapfern Jüngling bald bestraft entfloh; Wo jeder Vogel in der freyen Luft Torquato Taſſo Und mehr verwöhnt ſich das Gemüth, undſtrebt Die goldne Zeit, die ihm von außen mangelt, In ſeinem Innern wieder herzuſtellen, So wenig der Verſuch gelingen will. Taſſo. O welches Wort ſpricht meine Fürſtinn aus! Die goldne Zeit wohin iſt ſie geflohn? Nach der ſich jedes Herz vergebens ſehnt! Da auf der freyen Erde Menſchen ſich Wie frohe Herden im Genuß verbreiteten; Da ein uralter Baum auf bunter Wieſe Dem Hirten und der Hirtinn Schatten gab, Ein jüngeres Gebüſch die zarten Zweige Um ſehnſuchtsvolle Liebe traulich ſchlang; Wo klar und ſtill auf immer reinem Sande Der weiche Fluß die Nymphe ſanft umfing; Wo in dem Graſe die geſcheuchte Schlange Unſchädlich ſich verlor, der kühne Faun Vom tapfern Jüngling bald beſtraft entfloh; Wo jeder Vogel in der freyen Luft <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <sp who="#PRI"> <p><pb facs="#f0072" n="64"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Torquato Taſſo</hi></fw><lb/> Und mehr verwöhnt ſich das Gemüth, und<lb/> ſtrebt<lb/> Die goldne Zeit, die ihm von außen mangelt,<lb/> In ſeinem Innern wieder herzuſtellen,<lb/> So wenig der Verſuch gelingen will.</p> </sp><lb/> <sp who="#TAS"> <speaker><hi rendition="#g">Taſſo</hi>.</speaker><lb/> <p>O welches Wort ſpricht meine Fürſtinn aus!<lb/> Die goldne Zeit wohin iſt ſie geflohn?<lb/> Nach der ſich jedes Herz vergebens ſehnt!<lb/> Da auf der freyen Erde Menſchen ſich<lb/> Wie frohe Herden im Genuß verbreiteten;<lb/> Da ein uralter Baum auf bunter Wieſe<lb/> Dem Hirten und der Hirtinn Schatten gab,<lb/> Ein jüngeres Gebüſch die zarten Zweige<lb/> Um ſehnſuchtsvolle Liebe traulich ſchlang;<lb/> Wo klar und ſtill auf immer reinem Sande<lb/> Der weiche Fluß die Nymphe ſanft umfing;<lb/> Wo in dem Graſe die geſcheuchte Schlange<lb/> Unſchädlich ſich verlor, der kühne Faun<lb/> Vom tapfern Jüngling bald beſtraft entfloh;<lb/> Wo jeder Vogel in der freyen Luft<lb/></p> </sp> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [64/0072]
Torquato Taſſo
Und mehr verwöhnt ſich das Gemüth, und
ſtrebt
Die goldne Zeit, die ihm von außen mangelt,
In ſeinem Innern wieder herzuſtellen,
So wenig der Verſuch gelingen will.
Taſſo.
O welches Wort ſpricht meine Fürſtinn aus!
Die goldne Zeit wohin iſt ſie geflohn?
Nach der ſich jedes Herz vergebens ſehnt!
Da auf der freyen Erde Menſchen ſich
Wie frohe Herden im Genuß verbreiteten;
Da ein uralter Baum auf bunter Wieſe
Dem Hirten und der Hirtinn Schatten gab,
Ein jüngeres Gebüſch die zarten Zweige
Um ſehnſuchtsvolle Liebe traulich ſchlang;
Wo klar und ſtill auf immer reinem Sande
Der weiche Fluß die Nymphe ſanft umfing;
Wo in dem Graſe die geſcheuchte Schlange
Unſchädlich ſich verlor, der kühne Faun
Vom tapfern Jüngling bald beſtraft entfloh;
Wo jeder Vogel in der freyen Luft
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