Goethe, Johann Wolfgang von: Torquato Tasso. Leipzig, 1790.Torquato Tasso Prinzessinn. Darfst du es wagen? Noch ist der strenge Bann nicht aufgehoben, Der dich zugleich mit deinem Vater traf. Tasso. Du warnest recht, ich hab' es schon bedacht. Verkleidet geh' ich hin, den armen Rock Des Pilgers oder Schäfers zieh' ich an. Ich schleiche durch die Stadt, wo die Bewe- gung Der Tausende den Einen leicht verbirgt. Ich eile nach dem Ufer, finde dort Gleich einen Kahn mit willig guten Leuten, Mit Bauern, die zum Markte kamen, nun Nach Hause kehren, Leute von Sorrent; Denn ich muß nach Sorrent hinüber eilen. Dort wohnet meine Schwester, die mit mir Die Schmerzensfreude meiner Eltern war. Im Schiffe bin ich still, und trete dann Auch schweigend an das Land, ich gehe sacht Den Pfad hinauf, und an dem Thore frag' ich: Torquato Taſſo Prinzeſſinn. Darfſt du es wagen? Noch iſt der ſtrenge Bann nicht aufgehoben, Der dich zugleich mit deinem Vater traf. Taſſo. Du warneſt recht, ich hab’ es ſchon bedacht. Verkleidet geh’ ich hin, den armen Rock Des Pilgers oder Schäfers zieh’ ich an. Ich ſchleiche durch die Stadt, wo die Bewe- gung Der Tauſende den Einen leicht verbirgt. Ich eile nach dem Ufer, finde dort Gleich einen Kahn mit willig guten Leuten, Mit Bauern, die zum Markte kamen, nun Nach Hauſe kehren, Leute von Sorrent; Denn ich muß nach Sorrent hinüber eilen. Dort wohnet meine Schweſter, die mit mir Die Schmerzensfreude meiner Eltern war. Im Schiffe bin ich ſtill, und trete dann Auch ſchweigend an das Land, ich gehe ſacht Den Pfad hinauf, und an dem Thore frag’ ich: <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0210" n="202"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#g">Torquato Taſſo</hi> </fw><lb/> <sp who="#PRI"> <speaker><hi rendition="#g">Prinzeſſinn</hi>.</speaker><lb/> <p><hi rendition="#et">Darfſt du es wagen?</hi><lb/> Noch iſt der ſtrenge Bann nicht aufgehoben,<lb/> Der dich zugleich mit deinem Vater traf.</p> </sp><lb/> <sp who="#TAS"> <speaker><hi rendition="#g">Taſſo</hi>.</speaker><lb/> <p>Du warneſt recht, ich hab’ es ſchon bedacht.<lb/> Verkleidet geh’ ich hin, den armen Rock<lb/> Des Pilgers oder Schäfers zieh’ ich an.<lb/> Ich ſchleiche durch die Stadt, wo die Bewe-<lb/> gung<lb/> Der Tauſende den Einen leicht verbirgt.<lb/> Ich eile nach dem Ufer, finde dort<lb/> Gleich einen Kahn mit willig guten Leuten,<lb/> Mit Bauern, die zum Markte kamen, nun<lb/> Nach Hauſe kehren, Leute von Sorrent;<lb/> Denn ich muß nach Sorrent hinüber eilen.<lb/> Dort wohnet meine Schweſter, die mit mir<lb/> Die Schmerzensfreude meiner Eltern war.<lb/> Im Schiffe bin ich ſtill, und trete dann<lb/> Auch ſchweigend an das Land, ich gehe ſacht<lb/> Den Pfad hinauf, und an dem Thore frag’ ich:<lb/></p> </sp> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [202/0210]
Torquato Taſſo
Prinzeſſinn.
Darfſt du es wagen?
Noch iſt der ſtrenge Bann nicht aufgehoben,
Der dich zugleich mit deinem Vater traf.
Taſſo.
Du warneſt recht, ich hab’ es ſchon bedacht.
Verkleidet geh’ ich hin, den armen Rock
Des Pilgers oder Schäfers zieh’ ich an.
Ich ſchleiche durch die Stadt, wo die Bewe-
gung
Der Tauſende den Einen leicht verbirgt.
Ich eile nach dem Ufer, finde dort
Gleich einen Kahn mit willig guten Leuten,
Mit Bauern, die zum Markte kamen, nun
Nach Hauſe kehren, Leute von Sorrent;
Denn ich muß nach Sorrent hinüber eilen.
Dort wohnet meine Schweſter, die mit mir
Die Schmerzensfreude meiner Eltern war.
Im Schiffe bin ich ſtill, und trete dann
Auch ſchweigend an das Land, ich gehe ſacht
Den Pfad hinauf, und an dem Thore frag’ ich:
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