Goethe, Johann Wolfgang von: Torquato Tasso. Leipzig, 1790.Ein Schauspiel. Tasso. Ich richte meinen Weg Zuerst dahin, und nehmen meine Freunde Mich gütig auf, wie ich es hoffen darf, So leg' ich da mit Sorgfalt und Geduld Vielleicht die letzte Hand an mein Gedicht. Ich finde viele Männer dort versammelt, Die Meister aller Art sich nennen dürfen. Und spricht in jener ersten Stadt der Welt Nicht jeder Platz nicht jeder Stein zu uns? Wie viele tausend stumme Lehrer winken In ernster Majestät uns freundlich an! Vollend' ich da nicht mein Gedicht, so kann Ich's nie vollenden. Leider, ach, schon fühl' ich, Mir wird zu keinem Unternehmen Glück! Verändern werd' ich es, vollenden nie. Ich fühl', ich fühl' es wohl, die große Kunst, Die jeden nährt, die den gesunden Geist Stärkt und erquickt, wird mich zu Grunde richten, Vertreiben wird sie mich. Ich eile fort! Nach Napel will ich bald! Ein Schauſpiel. Taſſo. Ich richte meinen Weg Zuerſt dahin, und nehmen meine Freunde Mich gütig auf, wie ich es hoffen darf, So leg’ ich da mit Sorgfalt und Geduld Vielleicht die letzte Hand an mein Gedicht. Ich finde viele Männer dort verſammelt, Die Meiſter aller Art ſich nennen dürfen. Und ſpricht in jener erſten Stadt der Welt Nicht jeder Platz nicht jeder Stein zu uns? Wie viele tauſend ſtumme Lehrer winken In ernſter Majeſtät uns freundlich an! Vollend’ ich da nicht mein Gedicht, ſo kann Ich’s nie vollenden. Leider, ach, ſchon fühl’ ich, Mir wird zu keinem Unternehmen Glück! Verändern werd’ ich es, vollenden nie. Ich fühl’, ich fühl’ es wohl, die große Kunſt, Die jeden nährt, die den geſunden Geiſt Stärkt und erquickt, wird mich zu Grunde richten, Vertreiben wird ſie mich. Ich eile fort! Nach Napel will ich bald! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0209" n="201"/> <fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Ein Schauſpiel</hi>.</fw><lb/> <sp who="#TAS"> <speaker><hi rendition="#g">Taſſo</hi>.</speaker><lb/> <p><hi rendition="#et">Ich richte meinen Weg</hi><lb/> Zuerſt dahin, und nehmen meine Freunde<lb/> Mich gütig auf, wie ich es hoffen darf,<lb/> So leg’ ich da mit Sorgfalt und Geduld<lb/> Vielleicht die letzte Hand an mein Gedicht.<lb/> Ich finde viele Männer dort verſammelt,<lb/> Die Meiſter aller Art ſich nennen dürfen.<lb/> Und ſpricht in jener erſten Stadt der Welt<lb/> Nicht jeder Platz nicht jeder Stein zu uns?<lb/> Wie viele tauſend ſtumme Lehrer winken<lb/> In ernſter Majeſtät uns freundlich an!<lb/> Vollend’ ich <hi rendition="#g">da</hi> nicht mein Gedicht, ſo kann<lb/> Ich’s nie vollenden. Leider, ach, ſchon fühl’ ich,<lb/> Mir wird zu keinem Unternehmen Glück!<lb/> Verändern werd’ ich es, vollenden nie.<lb/> Ich fühl’, ich fühl’ es wohl, die große Kunſt,<lb/> Die jeden nährt, die den geſunden Geiſt<lb/> Stärkt und erquickt, wird mich zu Grunde<lb/> richten,<lb/> Vertreiben wird ſie mich. Ich eile fort!<lb/> Nach Napel will ich bald!</p> </sp><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [201/0209]
Ein Schauſpiel.
Taſſo.
Ich richte meinen Weg
Zuerſt dahin, und nehmen meine Freunde
Mich gütig auf, wie ich es hoffen darf,
So leg’ ich da mit Sorgfalt und Geduld
Vielleicht die letzte Hand an mein Gedicht.
Ich finde viele Männer dort verſammelt,
Die Meiſter aller Art ſich nennen dürfen.
Und ſpricht in jener erſten Stadt der Welt
Nicht jeder Platz nicht jeder Stein zu uns?
Wie viele tauſend ſtumme Lehrer winken
In ernſter Majeſtät uns freundlich an!
Vollend’ ich da nicht mein Gedicht, ſo kann
Ich’s nie vollenden. Leider, ach, ſchon fühl’ ich,
Mir wird zu keinem Unternehmen Glück!
Verändern werd’ ich es, vollenden nie.
Ich fühl’, ich fühl’ es wohl, die große Kunſt,
Die jeden nährt, die den geſunden Geiſt
Stärkt und erquickt, wird mich zu Grunde
richten,
Vertreiben wird ſie mich. Ich eile fort!
Nach Napel will ich bald!
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