Goethe, Johann Wolfgang von: Torquato Tasso. Leipzig, 1790.Ein Schauspiel. Antonio. Ja, mich verdrießt -- und ich bekenn' es gern -- Daß ich mich heut so ohne Maß verlor. Allein gestehe, wenn ein wackrer Mann Mit heißer Stirn von saurer Arbeit kommt, Und spät am Abend in ersehnten Schatten Zu neuer Mühe auszuruhen denkt, Und findet dann von einem Müßiggänger Den Schatten breit besessen, soll er nicht Auch etwas menschlich's in dem Busen fühlen? Leonore. Wenn er recht menschlich ist, so wird er auch Den Schatten gern mit einem Manne theilen, Der ihm die Ruhe süß, die Arbeit leicht Durch ein Gespräch, durch holde Töne macht. Der Baum ist breit, mein Freund, der Schat- ten gibt, Und keiner braucht den andern zu verdrängen. Antonio. Wir wollen uns, Eleonore, nicht Mit einem Gleichniß hin und wieder spielen. Goethe's W. 6. B. J
Ein Schauſpiel. Antonio. Ja, mich verdrießt — und ich bekenn’ es gern — Daß ich mich heut ſo ohne Maß verlor. Allein geſtehe, wenn ein wackrer Mann Mit heißer Stirn von ſaurer Arbeit kommt, Und ſpät am Abend in erſehnten Schatten Zu neuer Mühe auszuruhen denkt, Und findet dann von einem Müßiggänger Den Schatten breit beſeſſen, ſoll er nicht Auch etwas menſchlich’s in dem Buſen fühlen? Leonore. Wenn er recht menſchlich iſt, ſo wird er auch Den Schatten gern mit einem Manne theilen, Der ihm die Ruhe ſüß, die Arbeit leicht Durch ein Geſpräch, durch holde Töne macht. Der Baum iſt breit, mein Freund, der Schat- ten gibt, Und keiner braucht den andern zu verdrängen. Antonio. Wir wollen uns, Eleonore, nicht Mit einem Gleichniß hin und wieder ſpielen. Goethe’s W. 6. B. J
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Ein Schauſpiel.
Antonio.
Ja, mich verdrießt — und ich bekenn’ es gern —
Daß ich mich heut ſo ohne Maß verlor.
Allein geſtehe, wenn ein wackrer Mann
Mit heißer Stirn von ſaurer Arbeit kommt,
Und ſpät am Abend in erſehnten Schatten
Zu neuer Mühe auszuruhen denkt,
Und findet dann von einem Müßiggänger
Den Schatten breit beſeſſen, ſoll er nicht
Auch etwas menſchlich’s in dem Buſen fühlen?
Leonore.
Wenn er recht menſchlich iſt, ſo wird er auch
Den Schatten gern mit einem Manne theilen,
Der ihm die Ruhe ſüß, die Arbeit leicht
Durch ein Geſpräch, durch holde Töne macht.
Der Baum iſt breit, mein Freund, der Schat-
ten gibt,
Und keiner braucht den andern zu verdrängen.
Antonio.
Wir wollen uns, Eleonore, nicht
Mit einem Gleichniß hin und wieder ſpielen.
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