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Goethe, Johann Wolfgang von: Reinecke Fuchs. In zwölf Gesängen. Berlin, 1794 (= Goethe's Neue Schriften, Bd. 2).

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Wär' ich nicht so behende gewesen, er hätte
   mich gleichfalls

Fest gehalten, mit Noth entkam ich den Klauen
   des Mörders,

Eilend erreicht' ich den Baum! O hätt' ich
   mein trauriges Leben

Nicht gerettet! Ich sah mein Weib in des
   Bösewichts Klauen.

Ach! er hatte die Gute gar bald gegessen. Er
   schien mir

So begierig und hungrig, als wollt er noch
   einige speisen;

Nicht ein Beinchen ließ er zurück, kein Knö-
   chelchen übrig.

Solchen Jammer sah ich mit an! er eilte von
   dannen,

Aber ich konnt es nicht lassen und flog mit
   traurigem Herzen

An die Stäte, da fand ich nur Blut und
   wenige Federn

Waͤr' ich nicht so behende gewesen, er haͤtte
   mich gleichfalls

Fest gehalten, mit Noth entkam ich den Klauen
   des Moͤrders,

Eilend erreicht' ich den Baum! O haͤtt' ich
   mein trauriges Leben

Nicht gerettet! Ich sah mein Weib in des
   Boͤsewichts Klauen.

Ach! er hatte die Gute gar bald gegessen. Er
   schien mir

So begierig und hungrig, als wollt er noch
   einige speisen;

Nicht ein Beinchen ließ er zuruͤck, kein Knoͤ-
   chelchen uͤbrig.

Solchen Jammer sah ich mit an! er eilte von
   dannen,

Aber ich konnt es nicht lassen und flog mit
   traurigem Herzen

An die Staͤte, da fand ich nur Blut und
   wenige Federn

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[247/0255] Waͤr' ich nicht so behende gewesen, er haͤtte mich gleichfalls Fest gehalten, mit Noth entkam ich den Klauen des Moͤrders, Eilend erreicht' ich den Baum! O haͤtt' ich mein trauriges Leben Nicht gerettet! Ich sah mein Weib in des Boͤsewichts Klauen. Ach! er hatte die Gute gar bald gegessen. Er schien mir So begierig und hungrig, als wollt er noch einige speisen; Nicht ein Beinchen ließ er zuruͤck, kein Knoͤ- chelchen uͤbrig. Solchen Jammer sah ich mit an! er eilte von dannen, Aber ich konnt es nicht lassen und flog mit traurigem Herzen An die Staͤte, da fand ich nur Blut und wenige Federn

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Reinecke Fuchs. In zwölf Gesängen. Berlin, 1794 (= Goethe's Neue Schriften, Bd. 2), S. 247. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_reineke_1794/255>, abgerufen am 15.05.2024.