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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796.

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und gerechnet werde, will ich doch nicht
läugnen, daß ich damit nicht ganz zufrieden
war Ich wünschte nun auch, daß er mich
kennen, daß er persönlich Antheil an mir
nehmen möchte. Es entstand bey mir dieser
Wunsch ohne irgend einen bestimmten Ge¬
danken, was daraus folgen könnte.

Der größte Dienst, den ich meiner Wohl¬
thäterin leistete, war, daß ich die schönen
Waldungen ihrer Güter in Ordnung zu brin¬
gen suchte. In diesen köstlichen Besitzungen,
deren großen Werth Zeit und Umstände im¬
mer vermehren, ging es leider nur immer
nach dem alten Schlendrian fort, nirgends
war Plan und Ordnung, und des Stehlens
und des Unterschleifs kein Ende, manche
Berge standen öde, und einen gleichen Wuchs
hatten nur noch die ältesten Schläge. Ich
beging alles selbst mit einem geschickten Forst¬
mann, ich ließ die Waldungen messen, ich

und gerechnet werde, will ich doch nicht
läugnen, daß ich damit nicht ganz zufrieden
war Ich wünſchte nun auch, daß er mich
kennen, daß er perſönlich Antheil an mir
nehmen möchte. Es entſtand bey mir dieſer
Wunſch ohne irgend einen beſtimmten Ge¬
danken, was daraus folgen könnte.

Der größte Dienſt, den ich meiner Wohl¬
thäterin leiſtete, war, daß ich die ſchönen
Waldungen ihrer Güter in Ordnung zu brin¬
gen ſuchte. In dieſen köſtlichen Beſitzungen,
deren großen Werth Zeit und Umſtände im¬
mer vermehren, ging es leider nur immer
nach dem alten Schlendrian fort, nirgends
war Plan und Ordnung, und des Stehlens
und des Unterſchleifs kein Ende, manche
Berge ſtanden öde, und einen gleichen Wuchs
hatten nur noch die älteſten Schläge. Ich
beging alles ſelbſt mit einem geſchickten Forſt¬
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[95/0099] und gerechnet werde, will ich doch nicht läugnen, daß ich damit nicht ganz zufrieden war Ich wünſchte nun auch, daß er mich kennen, daß er perſönlich Antheil an mir nehmen möchte. Es entſtand bey mir dieſer Wunſch ohne irgend einen beſtimmten Ge¬ danken, was daraus folgen könnte. Der größte Dienſt, den ich meiner Wohl¬ thäterin leiſtete, war, daß ich die ſchönen Waldungen ihrer Güter in Ordnung zu brin¬ gen ſuchte. In dieſen köſtlichen Beſitzungen, deren großen Werth Zeit und Umſtände im¬ mer vermehren, ging es leider nur immer nach dem alten Schlendrian fort, nirgends war Plan und Ordnung, und des Stehlens und des Unterſchleifs kein Ende, manche Berge ſtanden öde, und einen gleichen Wuchs hatten nur noch die älteſten Schläge. Ich beging alles ſelbſt mit einem geſchickten Forſt¬ mann, ich ließ die Waldungen meſſen, ich

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/99>, abgerufen am 17.05.2024.