die Rede, den ich höher schätzen muß als irgend jemand, den ich vorher kannte. O welch ein Mann ist das! Fräulein, und welche Menschen umgeben ihn! in dieser Gesellschaft hab ich, so darf ich wohl sagen, zum erstenmal ein Gespräch geführt, zum erstenmal kam mir der eigenste Sinn meiner Worte aus dem Munde eines andern reich¬ haltiger, voller und in einem größern Um¬ fang wieder entgegen, was ich ahndete ward mir klar, und was ich meynte lernte ich an¬ schauen. Leider ward dieser Genuß erst durch allerley Sorgen und Grillen, dann durch den unangenehmen Auftrag unterbrochen. Ich übernahm ihn mit Ergebung, denn ich hielt für Schuldigkeit, selbst mit Aufopferung mei¬ nes Gefühls, diesem trefflichen Kreise von Menschen meinen Einstand abzutragen.
Therese hatte unter diesen Worten ihren Gast sehr freundlich angesehen. O! wie süß
E
die Rede, den ich höher ſchätzen muß als irgend jemand, den ich vorher kannte. O welch ein Mann iſt das! Fräulein, und welche Menſchen umgeben ihn! in dieſer Geſellſchaft hab ich, ſo darf ich wohl ſagen, zum erſtenmal ein Geſpräch geführt, zum erſtenmal kam mir der eigenſte Sinn meiner Worte aus dem Munde eines andern reich¬ haltiger, voller und in einem größern Um¬ fang wieder entgegen, was ich ahndete ward mir klar, und was ich meynte lernte ich an¬ ſchauen. Leider ward dieſer Genuß erſt durch allerley Sorgen und Grillen, dann durch den unangenehmen Auftrag unterbrochen. Ich übernahm ihn mit Ergebung, denn ich hielt für Schuldigkeit, ſelbſt mit Aufopferung mei¬ nes Gefühls, dieſem trefflichen Kreiſe von Menſchen meinen Einſtand abzutragen.
Thereſe hatte unter dieſen Worten ihren Gaſt ſehr freundlich angeſehen. O! wie ſüß
E
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0069"n="65"/>
die Rede, den ich höher ſchätzen muß als<lb/>
irgend jemand, den ich vorher kannte. O<lb/>
welch ein Mann iſt das! Fräulein, und<lb/>
welche Menſchen umgeben ihn! in dieſer<lb/>
Geſellſchaft hab ich, ſo darf ich wohl ſagen,<lb/>
zum erſtenmal ein Geſpräch geführt, zum<lb/>
erſtenmal kam mir der eigenſte Sinn meiner<lb/>
Worte aus dem Munde eines andern reich¬<lb/>
haltiger, voller und in einem größern Um¬<lb/>
fang wieder entgegen, was ich ahndete ward<lb/>
mir klar, und was ich meynte lernte ich an¬<lb/>ſchauen. Leider ward dieſer Genuß erſt durch<lb/>
allerley Sorgen und Grillen, dann durch<lb/>
den unangenehmen Auftrag unterbrochen. Ich<lb/>
übernahm ihn mit Ergebung, denn ich hielt<lb/>
für Schuldigkeit, ſelbſt mit Aufopferung mei¬<lb/>
nes Gefühls, dieſem trefflichen Kreiſe von<lb/>
Menſchen meinen Einſtand abzutragen.</p><lb/><p>Thereſe hatte unter dieſen Worten ihren<lb/>
Gaſt ſehr freundlich angeſehen. O! wie ſüß<lb/><fwplace="bottom"type="sig">E<lb/></fw></p></div></div></div></body></text></TEI>
[65/0069]
die Rede, den ich höher ſchätzen muß als
irgend jemand, den ich vorher kannte. O
welch ein Mann iſt das! Fräulein, und
welche Menſchen umgeben ihn! in dieſer
Geſellſchaft hab ich, ſo darf ich wohl ſagen,
zum erſtenmal ein Geſpräch geführt, zum
erſtenmal kam mir der eigenſte Sinn meiner
Worte aus dem Munde eines andern reich¬
haltiger, voller und in einem größern Um¬
fang wieder entgegen, was ich ahndete ward
mir klar, und was ich meynte lernte ich an¬
ſchauen. Leider ward dieſer Genuß erſt durch
allerley Sorgen und Grillen, dann durch
den unangenehmen Auftrag unterbrochen. Ich
übernahm ihn mit Ergebung, denn ich hielt
für Schuldigkeit, ſelbſt mit Aufopferung mei¬
nes Gefühls, dieſem trefflichen Kreiſe von
Menſchen meinen Einſtand abzutragen.
Thereſe hatte unter dieſen Worten ihren
Gaſt ſehr freundlich angeſehen. O! wie ſüß
E
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/69>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.