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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796.

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Wilhelm saß vor ihr auf einem Schemel; er
hatte die Füße des Knaben auf seinem
Schoße, Kopf und Brust lagen auf dem ih¬
rigen, so theilten sie die angenehme Last und
die schmerzlichen Sorgen, und verharrten bis
der Tag anbrach, in der unbequemen und
traurigen Lage. Natalie hatte Wilhelmen
ihre Hand gegeben, sie sprachen kein Wort,
sahen auf das Kind, und sahen einander an.
Lothario und Jarno saßen am andern Ende
des Zimmers, und führten ein sehr bedeuten¬
des Gespräch, das wir gern, wenn uns die
Begebenheiten nicht zu sehr drängten, unsern
Lesern hier mittheilten. Der Knabe schlief
sanft, erwachte am frühen Morgen ganz hei¬
ter, sprang auf und verlangte ein Butter¬
brodt.

Sobald Augustin sich einigermaßen erholt
hatte, suchte man einige Aufklärung von
ihm zu erhalten, man erfuhr nicht ohne

Wilhelm ſaß vor ihr auf einem Schemel; er
hatte die Füße des Knaben auf ſeinem
Schoße, Kopf und Bruſt lagen auf dem ih¬
rigen, ſo theilten ſie die angenehme Laſt und
die ſchmerzlichen Sorgen, und verharrten bis
der Tag anbrach, in der unbequemen und
traurigen Lage. Natalie hatte Wilhelmen
ihre Hand gegeben, ſie ſprachen kein Wort,
ſahen auf das Kind, und ſahen einander an.
Lothario und Jarno ſaßen am andern Ende
des Zimmers, und führten ein ſehr bedeuten¬
des Geſpräch, das wir gern, wenn uns die
Begebenheiten nicht zu ſehr drängten, unſern
Leſern hier mittheilten. Der Knabe ſchlief
ſanft, erwachte am frühen Morgen ganz hei¬
ter, ſprang auf und verlangte ein Butter¬
brodt.

Sobald Auguſtin ſich einigermaßen erholt
hatte, ſuchte man einige Aufklärung von
ihm zu erhalten, man erfuhr nicht ohne

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[488/0492] Wilhelm ſaß vor ihr auf einem Schemel; er hatte die Füße des Knaben auf ſeinem Schoße, Kopf und Bruſt lagen auf dem ih¬ rigen, ſo theilten ſie die angenehme Laſt und die ſchmerzlichen Sorgen, und verharrten bis der Tag anbrach, in der unbequemen und traurigen Lage. Natalie hatte Wilhelmen ihre Hand gegeben, ſie ſprachen kein Wort, ſahen auf das Kind, und ſahen einander an. Lothario und Jarno ſaßen am andern Ende des Zimmers, und führten ein ſehr bedeuten¬ des Geſpräch, das wir gern, wenn uns die Begebenheiten nicht zu ſehr drängten, unſern Leſern hier mittheilten. Der Knabe ſchlief ſanft, erwachte am frühen Morgen ganz hei¬ ter, ſprang auf und verlangte ein Butter¬ brodt. Sobald Auguſtin ſich einigermaßen erholt hatte, ſuchte man einige Aufklärung von ihm zu erhalten, man erfuhr nicht ohne

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796, S. 488. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/492>, abgerufen am 22.11.2024.