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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796.

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dreyßig Jahren in deutschen Adern herum
fließt; ich will weiter nicht darauf dringen,
Ihr habt immer solche Familiengeheimnisse,
doch mir wird man in solchen Fällen nichts
aufbinden. Darauf erzählte er noch ver¬
schiedenes, was damals mit Wilhelmen auf
seinem Schloß vorgegangen seyn sollte, wozu
Jarno gleichfalls schwieg, obgleich der Graf
ganz irrig war, und Wilhelmen mit einem
jungen Engländer in des Prinzen Gefolge
mehr als einmal verwechselte. Der gute
Herr hatte in frühern Zeiten ein vortreff¬
liches Gedächtniß gehabt, und war noch im¬
mer stolz darauf, sich der geringsten Um¬
stände seiner Jugend erinnern zu können;
nun bestimmte er aber mit eben der Gewi߬
heit wunderbare Combinationen und Fabeln
als wahr, die ihm bey zunehmender Schwäche
seines Gedächtnisses seine Einbildungskraft
einmal vorgespiegelt hatte. Übrigens war er

W. Meisters Lehrj. 4. H h

dreyßig Jahren in deutſchen Adern herum
fließt; ich will weiter nicht darauf dringen,
Ihr habt immer ſolche Familiengeheimniſſe,
doch mir wird man in ſolchen Fällen nichts
aufbinden. Darauf erzählte er noch ver¬
ſchiedenes, was damals mit Wilhelmen auf
ſeinem Schloß vorgegangen ſeyn ſollte, wozu
Jarno gleichfalls ſchwieg, obgleich der Graf
ganz irrig war, und Wilhelmen mit einem
jungen Engländer in des Prinzen Gefolge
mehr als einmal verwechſelte. Der gute
Herr hatte in frühern Zeiten ein vortreff¬
liches Gedächtniß gehabt, und war noch im¬
mer ſtolz darauf, ſich der geringſten Um¬
ſtände ſeiner Jugend erinnern zu können;
nun beſtimmte er aber mit eben der Gewi߬
heit wunderbare Combinationen und Fabeln
als wahr, die ihm bey zunehmender Schwäche
ſeines Gedächtniſſes ſeine Einbildungskraft
einmal vorgeſpiegelt hatte. Übrigens war er

W. Meiſters Lehrj. 4. H h
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[481/0485] dreyßig Jahren in deutſchen Adern herum fließt; ich will weiter nicht darauf dringen, Ihr habt immer ſolche Familiengeheimniſſe, doch mir wird man in ſolchen Fällen nichts aufbinden. Darauf erzählte er noch ver¬ ſchiedenes, was damals mit Wilhelmen auf ſeinem Schloß vorgegangen ſeyn ſollte, wozu Jarno gleichfalls ſchwieg, obgleich der Graf ganz irrig war, und Wilhelmen mit einem jungen Engländer in des Prinzen Gefolge mehr als einmal verwechſelte. Der gute Herr hatte in frühern Zeiten ein vortreff¬ liches Gedächtniß gehabt, und war noch im¬ mer ſtolz darauf, ſich der geringſten Um¬ ſtände ſeiner Jugend erinnern zu können; nun beſtimmte er aber mit eben der Gewi߬ heit wunderbare Combinationen und Fabeln als wahr, die ihm bey zunehmender Schwäche ſeines Gedächtniſſes ſeine Einbildungskraft einmal vorgeſpiegelt hatte. Übrigens war er W. Meiſters Lehrj. 4. H h

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796, S. 481. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/485>, abgerufen am 22.11.2024.