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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796.

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Busen drückt, den Dein Vater so tief ver¬
letzt hat. Muß ich nicht fürchten, sie stößt
Dich wieder von sich mit einem Schrey, so¬
bald Deine Berührung ihren wahren oder
eingebildeten Schmerz erneuert.

Der Kutscher ließ ihm nicht Zeit weiter
zu denken oder zu wählen, er nöthigte ihn
vor Tage in den Wagen; nun wickelte er
seinen Felix wohl ein, der Morgen war kalt
aber heiter, das Kind sah zum erstenmal in
seinem Leben die Sonne aufgehn. Sein Er¬
staunen über den ersten feurigen Blick, über
die wachsende Gewalt des Lichts, seine Freude
und seine wunderlichen Bemerkungen erfreu¬
ten den Vater, und ließen ihn einen Blick
in das Herz thun, vor welchem die Sonne
wie über einem reinen stillen See empor¬
steigt und schwebt.

In einer kleinen Stadt spannte der Kut¬
scher aus und ritt zurück. Wilhelm nahm

Buſen drückt, den Dein Vater ſo tief ver¬
letzt hat. Muß ich nicht fürchten, ſie ſtößt
Dich wieder von ſich mit einem Schrey, ſo¬
bald Deine Berührung ihren wahren oder
eingebildeten Schmerz erneuert.

Der Kutſcher ließ ihm nicht Zeit weiter
zu denken oder zu wählen, er nöthigte ihn
vor Tage in den Wagen; nun wickelte er
ſeinen Felix wohl ein, der Morgen war kalt
aber heiter, das Kind ſah zum erſtenmal in
ſeinem Leben die Sonne aufgehn. Sein Er¬
ſtaunen über den erſten feurigen Blick, über
die wachſende Gewalt des Lichts, ſeine Freude
und ſeine wunderlichen Bemerkungen erfreu¬
ten den Vater, und ließen ihn einen Blick
in das Herz thun, vor welchem die Sonne
wie über einem reinen ſtillen See empor¬
ſteigt und ſchwebt.

In einer kleinen Stadt ſpannte der Kut¬
ſcher aus und ritt zurück. Wilhelm nahm

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[245/0249] Buſen drückt, den Dein Vater ſo tief ver¬ letzt hat. Muß ich nicht fürchten, ſie ſtößt Dich wieder von ſich mit einem Schrey, ſo¬ bald Deine Berührung ihren wahren oder eingebildeten Schmerz erneuert. Der Kutſcher ließ ihm nicht Zeit weiter zu denken oder zu wählen, er nöthigte ihn vor Tage in den Wagen; nun wickelte er ſeinen Felix wohl ein, der Morgen war kalt aber heiter, das Kind ſah zum erſtenmal in ſeinem Leben die Sonne aufgehn. Sein Er¬ ſtaunen über den erſten feurigen Blick, über die wachſende Gewalt des Lichts, ſeine Freude und ſeine wunderlichen Bemerkungen erfreu¬ ten den Vater, und ließen ihn einen Blick in das Herz thun, vor welchem die Sonne wie über einem reinen ſtillen See empor¬ ſteigt und ſchwebt. In einer kleinen Stadt ſpannte der Kut¬ ſcher aus und ritt zurück. Wilhelm nahm

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796, S. 245. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/249>, abgerufen am 17.05.2024.