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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1795.

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großen und kühnen Aufopferungen, sich zwi¬
schen Ihrer Familie, einem Bräutigam, viel¬
leicht einem Gemahl nur so hin beholfen,
Sie würden, in einem ewigen Widerspruch
mit sich selbst, niemals einen zufriedenen Au¬
genblick genossen haben.

Sie brauchen, versetzt ich hier, das Wort
Aufopferung, und ich habe manchmal gedacht,
wie wir einer höhern Absicht, gleichsam wie
einer Gottheit, das geringere zum Opfer
darbringen, ob es uns schon am Herzen liegt,
wie man ein geliebtes Schaf für die Gesund¬
heit eines verehrten Vaters gern und willig
zum Altar führte.

Was es auch sey, versetzte er, der Ver¬
stand oder die Empfindung, das uns eins
für das andere hingeben, eins vor dem an¬
dern wählen heißt, so ist Entschiedenheit und
Folge, nach meiner Meynung, das vereh¬
rungswürdigste am Menschen. Man kann

großen und kühnen Aufopferungen, ſich zwi¬
ſchen Ihrer Familie, einem Bräutigam, viel¬
leicht einem Gemahl nur ſo hin beholfen,
Sie würden, in einem ewigen Widerſpruch
mit ſich ſelbſt, niemals einen zufriedenen Au¬
genblick genoſſen haben.

Sie brauchen, verſetzt ich hier, das Wort
Aufopferung, und ich habe manchmal gedacht,
wie wir einer höhern Abſicht, gleichſam wie
einer Gottheit, das geringere zum Opfer
darbringen, ob es uns ſchon am Herzen liegt,
wie man ein geliebtes Schaf für die Geſund¬
heit eines verehrten Vaters gern und willig
zum Altar führte.

Was es auch ſey, verſetzte er, der Ver¬
ſtand oder die Empfindung, das uns eins
für das andere hingeben, eins vor dem an¬
dern wählen heißt, ſo iſt Entſchiedenheit und
Folge, nach meiner Meynung, das vereh¬
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[333/0339] großen und kühnen Aufopferungen, ſich zwi¬ ſchen Ihrer Familie, einem Bräutigam, viel¬ leicht einem Gemahl nur ſo hin beholfen, Sie würden, in einem ewigen Widerſpruch mit ſich ſelbſt, niemals einen zufriedenen Au¬ genblick genoſſen haben. Sie brauchen, verſetzt ich hier, das Wort Aufopferung, und ich habe manchmal gedacht, wie wir einer höhern Abſicht, gleichſam wie einer Gottheit, das geringere zum Opfer darbringen, ob es uns ſchon am Herzen liegt, wie man ein geliebtes Schaf für die Geſund¬ heit eines verehrten Vaters gern und willig zum Altar führte. Was es auch ſey, verſetzte er, der Ver¬ ſtand oder die Empfindung, das uns eins für das andere hingeben, eins vor dem an¬ dern wählen heißt, ſo iſt Entſchiedenheit und Folge, nach meiner Meynung, das vereh¬ rungswürdigſte am Menſchen. Man kann

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1795, S. 333. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre03_1795/339>, abgerufen am 19.05.2024.