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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1795.

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hielt; daher jener eifrige Mann, als sein
Freund sich mit den Brüdern wieder entzwey¬
te, in seiner Nähe zu wohnen sich entschloß,
und sich seiner Leitung aufs neue völlig zu
überlassen schien.

Nun wurde der Neuangekommene gleich¬
sam im Triumph allen besonders geliebten
Schäfchen des Oberhirten vorgestellt. Nur
in unser Haus ward er nicht eingeführt, weil
mein Vater niemand mehr zu sehen pflegte.
Der Cavalier fand große Approbation; er
hatte das Gesittete des Hofs und das Ein¬
nehmende der Gemeinde, dabey viel schöne
natürliche Eigenschaften, und ward bald der
große Heilige für alle, die ihn kennen lern¬
ten, worüber sich sein geistlicher Gönner äus¬
serst freute. Leider war jener nur über äus¬
sere Umstände mit der Gemeine brouillirt,
und im Herzen noch ganz Herrnhuther. Er
hing wirklich an der Realität der Sache, al¬

hielt; daher jener eifrige Mann, als ſein
Freund ſich mit den Brüdern wieder entzwey¬
te, in ſeiner Nähe zu wohnen ſich entſchloß,
und ſich ſeiner Leitung aufs neue völlig zu
überlaſſen ſchien.

Nun wurde der Neuangekommene gleich¬
ſam im Triumph allen beſonders geliebten
Schäfchen des Oberhirten vorgeſtellt. Nur
in unſer Haus ward er nicht eingeführt, weil
mein Vater niemand mehr zu ſehen pflegte.
Der Cavalier fand große Approbation; er
hatte das Geſittete des Hofs und das Ein¬
nehmende der Gemeinde, dabey viel ſchöne
natürliche Eigenſchaften, und ward bald der
große Heilige für alle, die ihn kennen lern¬
ten, worüber ſich ſein geiſtlicher Gönner äuſ¬
ſerſt freute. Leider war jener nur über äuſ¬
ſere Umſtände mit der Gemeine brouillirt,
und im Herzen noch ganz Herrnhuther. Er
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[314/0320] hielt; daher jener eifrige Mann, als ſein Freund ſich mit den Brüdern wieder entzwey¬ te, in ſeiner Nähe zu wohnen ſich entſchloß, und ſich ſeiner Leitung aufs neue völlig zu überlaſſen ſchien. Nun wurde der Neuangekommene gleich¬ ſam im Triumph allen beſonders geliebten Schäfchen des Oberhirten vorgeſtellt. Nur in unſer Haus ward er nicht eingeführt, weil mein Vater niemand mehr zu ſehen pflegte. Der Cavalier fand große Approbation; er hatte das Geſittete des Hofs und das Ein¬ nehmende der Gemeinde, dabey viel ſchöne natürliche Eigenſchaften, und ward bald der große Heilige für alle, die ihn kennen lern¬ ten, worüber ſich ſein geiſtlicher Gönner äuſ¬ ſerſt freute. Leider war jener nur über äuſ¬ ſere Umſtände mit der Gemeine brouillirt, und im Herzen noch ganz Herrnhuther. Er hing wirklich an der Realität der Sache, al¬

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1795, S. 314. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre03_1795/320>, abgerufen am 19.05.2024.