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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1795.

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lein auch ihm war das Tändelwerk, das der
Graf darum gehängt hatte, höchst angemes¬
sen. Er war an jene Vorstellungs- und
Redensarten nun einmal gewöhnt, und wenn
er sich nunmehr vor seinem alten Freunde
sorgfältig verbergen mußte, so war es ihm
desto nothwendiger, so bald er ein Häufchen
vertrauter Personen um sich erblickte, mit
seinen Verschen, Litaneyen und Bilderchen
hervor zu rücken, und er fand, wie man
denken kann, großen Beyfall.

Ich wußte von der ganzen Sache nichts,
und tändelte auf meine eigene Art fort.
Lange Zeit blieben wir uns unbekannt.

Einst besuchte ich, in einer freyen Stun¬
de, eine kranke Freundin. Ich traf mehrere
Bekannte dort an, und merkte bald, daß ich
sie in einer Unterredung gestöhrt hatte. Ich
ließ mir nichts merken; erblickte aber, zu
meiner großen Verwunderung, an der Wand

lein auch ihm war das Tändelwerk, das der
Graf darum gehängt hatte, höchſt angemeſ¬
ſen. Er war an jene Vorſtellungs- und
Redensarten nun einmal gewöhnt, und wenn
er ſich nunmehr vor ſeinem alten Freunde
ſorgfältig verbergen mußte, ſo war es ihm
deſto nothwendiger, ſo bald er ein Häufchen
vertrauter Perſonen um ſich erblickte, mit
ſeinen Verschen, Litaneyen und Bilderchen
hervor zu rücken, und er fand, wie man
denken kann, großen Beyfall.

Ich wußte von der ganzen Sache nichts,
und tändelte auf meine eigene Art fort.
Lange Zeit blieben wir uns unbekannt.

Einſt beſuchte ich, in einer freyen Stun¬
de, eine kranke Freundin. Ich traf mehrere
Bekannte dort an, und merkte bald, daß ich
ſie in einer Unterredung geſtöhrt hatte. Ich
ließ mir nichts merken; erblickte aber, zu
meiner großen Verwunderung, an der Wand

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[315/0321] lein auch ihm war das Tändelwerk, das der Graf darum gehängt hatte, höchſt angemeſ¬ ſen. Er war an jene Vorſtellungs- und Redensarten nun einmal gewöhnt, und wenn er ſich nunmehr vor ſeinem alten Freunde ſorgfältig verbergen mußte, ſo war es ihm deſto nothwendiger, ſo bald er ein Häufchen vertrauter Perſonen um ſich erblickte, mit ſeinen Verschen, Litaneyen und Bilderchen hervor zu rücken, und er fand, wie man denken kann, großen Beyfall. Ich wußte von der ganzen Sache nichts, und tändelte auf meine eigene Art fort. Lange Zeit blieben wir uns unbekannt. Einſt beſuchte ich, in einer freyen Stun¬ de, eine kranke Freundin. Ich traf mehrere Bekannte dort an, und merkte bald, daß ich ſie in einer Unterredung geſtöhrt hatte. Ich ließ mir nichts merken; erblickte aber, zu meiner großen Verwunderung, an der Wand

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1795, S. 315. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre03_1795/321>, abgerufen am 26.05.2024.