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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1795.

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ster auf meine eigene Hand, und hatte diese
neue Wendung meines Gemüths und meiner
Neigungen besonders vor dem Oberhofpredi¬
ger zu verbergen, den ich als meinen Beicht¬
vater zu schätzen sehr Ursache hatte, und des¬
sen große Verdienste auch gegenwärtig durch
seine äußerste Abneigung gegen die herrnhu¬
thische Gemeinde in meinen Augen nicht ge¬
schmälert wurden. Leider sollte dieser wür¬
dige Mann an mir und andern viele Be¬
trübniß erleben!

Er hatte vor mehreren Jahren auswärts
einen Cavalier als einen redlichen frommen
Mann kennen lernen, und war mit ihm, als
einem der Gott ernstlich suchte, in einem un¬
unterbrochenen Briefwechsel geblieben. Wie
schmerzhaft war es daher für seinen geistli¬
chen Führer, als dieser Cavalier sich in der
Folge mit der herrnhuthischen Gemeinde ein¬
ließ, und sich lange unter den Brüdern auf¬

ſter auf meine eigene Hand, und hatte dieſe
neue Wendung meines Gemüths und meiner
Neigungen beſonders vor dem Oberhofpredi¬
ger zu verbergen, den ich als meinen Beicht¬
vater zu ſchätzen ſehr Urſache hatte, und deſ¬
ſen große Verdienſte auch gegenwärtig durch
ſeine äußerſte Abneigung gegen die herrnhu¬
thiſche Gemeinde in meinen Augen nicht ge¬
ſchmälert wurden. Leider ſollte dieſer wür¬
dige Mann an mir und andern viele Be¬
trübniß erleben!

Er hatte vor mehreren Jahren auswärts
einen Cavalier als einen redlichen frommen
Mann kennen lernen, und war mit ihm, als
einem der Gott ernſtlich ſuchte, in einem un¬
unterbrochenen Briefwechſel geblieben. Wie
ſchmerzhaft war es daher für ſeinen geiſtli¬
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[313/0319] ſter auf meine eigene Hand, und hatte dieſe neue Wendung meines Gemüths und meiner Neigungen beſonders vor dem Oberhofpredi¬ ger zu verbergen, den ich als meinen Beicht¬ vater zu ſchätzen ſehr Urſache hatte, und deſ¬ ſen große Verdienſte auch gegenwärtig durch ſeine äußerſte Abneigung gegen die herrnhu¬ thiſche Gemeinde in meinen Augen nicht ge¬ ſchmälert wurden. Leider ſollte dieſer wür¬ dige Mann an mir und andern viele Be¬ trübniß erleben! Er hatte vor mehreren Jahren auswärts einen Cavalier als einen redlichen frommen Mann kennen lernen, und war mit ihm, als einem der Gott ernſtlich ſuchte, in einem un¬ unterbrochenen Briefwechſel geblieben. Wie ſchmerzhaft war es daher für ſeinen geiſtli¬ chen Führer, als dieſer Cavalier ſich in der Folge mit der herrnhuthiſchen Gemeinde ein¬ ließ, und ſich lange unter den Brüdern auf¬

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1795, S. 313. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre03_1795/319>, abgerufen am 19.05.2024.