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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1795.

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mit meinem Geheimnisse hervor zu treten;
so hätte ich mir abermals einen großen Um¬
weg ersparen können.

Da in meinem vorhergehenden zehnjähri¬
gen Christenlauf diese nothwendige Kraft
nicht in meiner Seele war, so hatte ich mich
in dem Fall anderer redlichen Leute auch be¬
funden ; ich hatte mir dadurch geholfen, daß
ich die Phantasie immer mit Bildern erfüll¬
te, die einen Bezug auf Gott hatten, und
auch dieses ist schon wahrhaft nützlich; denn
schädliche Bilder und ihre bösen Folgen wer¬
den dadurch abgehalten. Sodann ergreift
unsre Seele oft ein und das andere von den
geistigen Bildern, und schwingt sich ein we¬
nig damit in die Höhe, wie ein junger Vo¬
gel von einem Zweige auf den andern flat¬
tert. So lange man nichts besseres hat, ist
doch diese Übung nicht ganz zu verwerfen.

Auf Gott zielende Bilder und Eindrücke

mit meinem Geheimniſſe hervor zu treten;
ſo hätte ich mir abermals einen großen Um¬
weg erſparen können.

Da in meinem vorhergehenden zehnjähri¬
gen Chriſtenlauf dieſe nothwendige Kraft
nicht in meiner Seele war, ſo hatte ich mich
in dem Fall anderer redlichen Leute auch be¬
funden ; ich hatte mir dadurch geholfen, daß
ich die Phantaſie immer mit Bildern erfüll¬
te, die einen Bezug auf Gott hatten, und
auch dieſes iſt ſchon wahrhaft nützlich; denn
ſchädliche Bilder und ihre böſen Folgen wer¬
den dadurch abgehalten. Sodann ergreift
unſre Seele oft ein und das andere von den
geiſtigen Bildern, und ſchwingt ſich ein we¬
nig damit in die Höhe, wie ein junger Vo¬
gel von einem Zweige auf den andern flat¬
tert. So lange man nichts beſſeres hat, iſt
doch dieſe Übung nicht ganz zu verwerfen.

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[306/0312] mit meinem Geheimniſſe hervor zu treten; ſo hätte ich mir abermals einen großen Um¬ weg erſparen können. Da in meinem vorhergehenden zehnjähri¬ gen Chriſtenlauf dieſe nothwendige Kraft nicht in meiner Seele war, ſo hatte ich mich in dem Fall anderer redlichen Leute auch be¬ funden ; ich hatte mir dadurch geholfen, daß ich die Phantaſie immer mit Bildern erfüll¬ te, die einen Bezug auf Gott hatten, und auch dieſes iſt ſchon wahrhaft nützlich; denn ſchädliche Bilder und ihre böſen Folgen wer¬ den dadurch abgehalten. Sodann ergreift unſre Seele oft ein und das andere von den geiſtigen Bildern, und ſchwingt ſich ein we¬ nig damit in die Höhe, wie ein junger Vo¬ gel von einem Zweige auf den andern flat¬ tert. So lange man nichts beſſeres hat, iſt doch dieſe Übung nicht ganz zu verwerfen. Auf Gott zielende Bilder und Eindrücke

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1795, S. 306. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre03_1795/312>, abgerufen am 19.05.2024.