Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1795.

Bild:
<< vorherige Seite

bey der Unruhe des Laertes, der ihn überall
mit herumschleppte, den anschaulichsten Be¬
griff eines großen Mittelpunktes, woher al¬
les ausfließt, und wohin alles zurückkehrt,
und es war das erstemal, daß sein Geist im
Anschauen dieser Art von Thätigkeit sich
wirklich ergetzte. In diesem Zustande hatte
ihm Serlo den Antrag gethan, und seine
Wünsche, seine Neigung, sein Zutrauen auf
ein angebornes Talent, und seine Verpflich¬
tung gegen die hülflose Gesellschaft wieder
rege gemacht.

Da steh ich nun, sagte er zu sich selbst,
abermals am Scheidewege zwischen den bei¬
den Frauen, die mir in meiner Jugend er¬
schienen. Die eine sieht nicht mehr so küm¬
merlich aus, wie damals, und die andere
nicht so prächtig. Der einen wie der andern
zu folgen fühlst du eine Art von innern Be¬
ruf, und von beiden Seiten sind die äussern

bey der Unruhe des Laertes, der ihn überall
mit herumſchleppte, den anſchaulichſten Be¬
griff eines großen Mittelpunktes, woher al¬
les ausfließt, und wohin alles zurückkehrt,
und es war das erſtemal, daß ſein Geiſt im
Anſchauen dieſer Art von Thätigkeit ſich
wirklich ergetzte. In dieſem Zuſtande hatte
ihm Serlo den Antrag gethan, und ſeine
Wünſche, ſeine Neigung, ſein Zutrauen auf
ein angebornes Talent, und ſeine Verpflich¬
tung gegen die hülfloſe Geſellſchaft wieder
rege gemacht.

Da ſteh ich nun, ſagte er zu ſich ſelbſt,
abermals am Scheidewege zwiſchen den bei¬
den Frauen, die mir in meiner Jugend er¬
ſchienen. Die eine ſieht nicht mehr ſo küm¬
merlich aus, wie damals, und die andere
nicht ſo prächtig. Der einen wie der andern
zu folgen fühlſt du eine Art von innern Be¬
ruf, und von beiden Seiten ſind die äuſſern

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0370" n="361"/>
bey der Unruhe des Laertes, der ihn überall<lb/>
mit herum&#x017F;chleppte, den an&#x017F;chaulich&#x017F;ten Be¬<lb/>
griff eines großen Mittelpunktes, woher al¬<lb/>
les ausfließt, und wohin alles zurückkehrt,<lb/>
und es war das er&#x017F;temal, daß &#x017F;ein Gei&#x017F;t im<lb/>
An&#x017F;chauen die&#x017F;er Art von Thätigkeit &#x017F;ich<lb/>
wirklich ergetzte. In die&#x017F;em Zu&#x017F;tande hatte<lb/>
ihm Serlo den Antrag gethan, und &#x017F;eine<lb/>
Wün&#x017F;che, &#x017F;eine Neigung, &#x017F;ein Zutrauen auf<lb/>
ein angebornes Talent, und &#x017F;eine Verpflich¬<lb/>
tung gegen die hülflo&#x017F;e Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft wieder<lb/>
rege gemacht.</p><lb/>
            <p>Da &#x017F;teh ich nun, &#x017F;agte er zu &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t,<lb/>
abermals am Scheidewege zwi&#x017F;chen den bei¬<lb/>
den Frauen, die mir in meiner Jugend er¬<lb/>
&#x017F;chienen. Die eine &#x017F;ieht nicht mehr &#x017F;o küm¬<lb/>
merlich aus, wie damals, und die andere<lb/>
nicht &#x017F;o prächtig. Der einen wie der andern<lb/>
zu folgen fühl&#x017F;t du eine Art von innern Be¬<lb/>
ruf, und von beiden Seiten &#x017F;ind die äu&#x017F;&#x017F;ern<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[361/0370] bey der Unruhe des Laertes, der ihn überall mit herumſchleppte, den anſchaulichſten Be¬ griff eines großen Mittelpunktes, woher al¬ les ausfließt, und wohin alles zurückkehrt, und es war das erſtemal, daß ſein Geiſt im Anſchauen dieſer Art von Thätigkeit ſich wirklich ergetzte. In dieſem Zuſtande hatte ihm Serlo den Antrag gethan, und ſeine Wünſche, ſeine Neigung, ſein Zutrauen auf ein angebornes Talent, und ſeine Verpflich¬ tung gegen die hülfloſe Geſellſchaft wieder rege gemacht. Da ſteh ich nun, ſagte er zu ſich ſelbſt, abermals am Scheidewege zwiſchen den bei¬ den Frauen, die mir in meiner Jugend er¬ ſchienen. Die eine ſieht nicht mehr ſo küm¬ merlich aus, wie damals, und die andere nicht ſo prächtig. Der einen wie der andern zu folgen fühlſt du eine Art von innern Be¬ ruf, und von beiden Seiten ſind die äuſſern

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre02_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre02_1795/370
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1795, S. 361. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre02_1795/370>, abgerufen am 03.05.2024.