richtet hat! Und leidet er nicht um unsert¬ willen? Wilhelm hörte diese Worte, und verstand sie nicht. Sie ging unruhig hin und wieder; es schien, als könnte sie sich nicht von dem Anblick des Verwundeten los¬ reissen, und als fürchtete sie zugleich den Wohlstand zu verletzen, wenn sie stehen blie¬ be, zu der Zeit, da man ihn, wiewohl mit Mühe, zu entkleiden anfing. Der Chirurgus schnitt, eben den linken Ermel auf, als der alte Herr hinzutrat und ihr, mit einem ernst¬ haften Tone, die Nothwendigkeit ihre Reise fortzusetzen vorstellte. Wilhelm hatte seine Augen auf sie gerichtet, und war von ihren Blicken so eingenommen, daß er kaum fühl¬ te, was mit ihm vorging.
Philine war indessen aufgestanden, um der gnädigen Dame die Hand zu küssen. Als sie neben einander standen, glaubte un¬ ser Freund nie einen solchen Abstand gesehn
richtet hat! Und leidet er nicht um unſert¬ willen? Wilhelm hörte dieſe Worte, und verſtand ſie nicht. Sie ging unruhig hin und wieder; es ſchien, als könnte ſie ſich nicht von dem Anblick des Verwundeten los¬ reiſſen, und als fürchtete ſie zugleich den Wohlſtand zu verletzen, wenn ſie ſtehen blie¬ be, zu der Zeit, da man ihn, wiewohl mit Mühe, zu entkleiden anfing. Der Chirurgus ſchnitt, eben den linken Ermel auf, als der alte Herr hinzutrat und ihr, mit einem ernſt¬ haften Tone, die Nothwendigkeit ihre Reiſe fortzuſetzen vorſtellte. Wilhelm hatte ſeine Augen auf ſie gerichtet, und war von ihren Blicken ſo eingenommen, daß er kaum fühl¬ te, was mit ihm vorging.
Philine war indeſſen aufgeſtanden, um der gnädigen Dame die Hand zu küſſen. Als ſie neben einander ſtanden, glaubte un¬ ſer Freund nie einen ſolchen Abſtand geſehn
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richtet hat! Und leidet er nicht um unſert¬
willen? Wilhelm hörte dieſe Worte, und
verſtand ſie nicht. Sie ging unruhig hin
und wieder; es ſchien, als könnte ſie ſich
nicht von dem Anblick des Verwundeten los¬
reiſſen, und als fürchtete ſie zugleich den
Wohlſtand zu verletzen, wenn ſie ſtehen blie¬
be, zu der Zeit, da man ihn, wiewohl mit
Mühe, zu entkleiden anfing. Der Chirurgus
ſchnitt, eben den linken Ermel auf, als der
alte Herr hinzutrat und ihr, mit einem ernſt¬
haften Tone, die Nothwendigkeit ihre Reiſe
fortzuſetzen vorſtellte. Wilhelm hatte ſeine
Augen auf ſie gerichtet, und war von ihren
Blicken ſo eingenommen, daß er kaum fühl¬
te, was mit ihm vorging.
Philine war indeſſen aufgeſtanden, um
der gnädigen Dame die Hand zu küſſen.
Als ſie neben einander ſtanden, glaubte un¬
ſer Freund nie einen ſolchen Abſtand geſehn
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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1795, S. 230. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre02_1795/238>, abgerufen am 25.11.2024.
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