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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1795.

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gen zurück erwartete, ersann sich die Baro¬
nesse einen Scherz, der völlig in ihrer Art
war, denn sie liebte die Verkleidungen und
kam, um die Gesellschaft zu überraschen, bald
als Bauermädchen, bald als Page, bald als
Jägerbursche zum Vorschein. Sie gab sich
dadurch das Ansehn einer kleinen Fee, die
überall, und gerade da, wo man sie am we¬
nigsten vermuthet, gegenwärtig ist. Nichts
glich ihrer Freude, wenn sie unerkannt eine
Zeitlang die Gesellschaft bedient, oder sonst
unter ihr gewandelt hatte, und sie sich zu¬
letzt auf eine scherzhafte Weise zu entdecken
wußte.

Gegen Abend ließ sie Wilhelmen auf ihr
Zimmer fordern, und da sie eben noch etwas
zu thun hatte, sollte Philine ihn vorbereiten.

Er kam und fand nicht ohne Verwunde¬
rung, statt der gnädigen Frauen, das leicht¬
fertige Mädchen im Zimmer. Sie begegnete

gen zurück erwartete, erſann ſich die Baro¬
neſſe einen Scherz, der völlig in ihrer Art
war, denn ſie liebte die Verkleidungen und
kam, um die Geſellſchaft zu überraſchen, bald
als Bauermädchen, bald als Page, bald als
Jägerburſche zum Vorſchein. Sie gab ſich
dadurch das Anſehn einer kleinen Fee, die
überall, und gerade da, wo man ſie am we¬
nigſten vermuthet, gegenwärtig iſt. Nichts
glich ihrer Freude, wenn ſie unerkannt eine
Zeitlang die Geſellſchaft bedient, oder ſonſt
unter ihr gewandelt hatte, und ſie ſich zu¬
letzt auf eine ſcherzhafte Weiſe zu entdecken
wußte.

Gegen Abend ließ ſie Wilhelmen auf ihr
Zimmer fordern, und da ſie eben noch etwas
zu thun hatte, ſollte Philine ihn vorbereiten.

Er kam und fand nicht ohne Verwunde¬
rung, ſtatt der gnädigen Frauen, das leicht¬
fertige Mädchen im Zimmer. Sie begegnete

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[122/0130] gen zurück erwartete, erſann ſich die Baro¬ neſſe einen Scherz, der völlig in ihrer Art war, denn ſie liebte die Verkleidungen und kam, um die Geſellſchaft zu überraſchen, bald als Bauermädchen, bald als Page, bald als Jägerburſche zum Vorſchein. Sie gab ſich dadurch das Anſehn einer kleinen Fee, die überall, und gerade da, wo man ſie am we¬ nigſten vermuthet, gegenwärtig iſt. Nichts glich ihrer Freude, wenn ſie unerkannt eine Zeitlang die Geſellſchaft bedient, oder ſonſt unter ihr gewandelt hatte, und ſie ſich zu¬ letzt auf eine ſcherzhafte Weiſe zu entdecken wußte. Gegen Abend ließ ſie Wilhelmen auf ihr Zimmer fordern, und da ſie eben noch etwas zu thun hatte, ſollte Philine ihn vorbereiten. Er kam und fand nicht ohne Verwunde¬ rung, ſtatt der gnädigen Frauen, das leicht¬ fertige Mädchen im Zimmer. Sie begegnete

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1795, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre02_1795/130>, abgerufen am 22.11.2024.