Denn als Laertes sie einst laut rühmte, und sie allen andern ihres Geschlechts vor¬ zog, versetzte der Baron scherzend: ich merke schon wie die Sachen stehen, unsre liebe Freundin hat wieder einen für ihre Ställe gewonnen. Dieses unglückliche Gleichniß, das nur zu klar auf die gefährlichen Liebko¬ sungen einer Circe deutete, verdroß Laertes über die maaßen, und er konnte dem Baron nicht ohne Ärgerniß zuhören, der ohne Barm¬ herzigkeit fortfuhr:
Jeder Fremde glaubt, daß er der erste sey, dem ein so angenehmes Betragen gelte; aber er irrt gewaltig, denn wir alle sind ein¬ mal auf diesem Wege herum geführt wor¬ den; Mann, Jüngling oder Knabe, er sey wer er sey, muß sich eine Zeitlang ihr erge¬ ben, ihr anhängen, und sich mit Sehnsucht um sie bemühen.
Den Glücklichen, der eben, in die Gärten
Denn als Laertes ſie einſt laut rühmte, und ſie allen andern ihres Geſchlechts vor¬ zog, verſetzte der Baron ſcherzend: ich merke ſchon wie die Sachen ſtehen, unſre liebe Freundin hat wieder einen für ihre Ställe gewonnen. Dieſes unglückliche Gleichniß, das nur zu klar auf die gefährlichen Liebko¬ ſungen einer Circe deutete, verdroß Laertes über die maaßen, und er konnte dem Baron nicht ohne Ärgerniß zuhören, der ohne Barm¬ herzigkeit fortfuhr:
Jeder Fremde glaubt, daß er der erſte ſey, dem ein ſo angenehmes Betragen gelte; aber er irrt gewaltig, denn wir alle ſind ein¬ mal auf dieſem Wege herum geführt wor¬ den; Mann, Jüngling oder Knabe, er ſey wer er ſey, muß ſich eine Zeitlang ihr erge¬ ben, ihr anhängen, und ſich mit Sehnſucht um ſie bemühen.
Den Glücklichen, der eben, in die Gärten
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0102"n="94"/><p>Denn als Laertes ſie einſt laut rühmte,<lb/>
und ſie allen andern ihres Geſchlechts vor¬<lb/>
zog, verſetzte der Baron ſcherzend: ich merke<lb/>ſchon wie die Sachen ſtehen, unſre liebe<lb/>
Freundin hat wieder einen für ihre Ställe<lb/>
gewonnen. Dieſes unglückliche Gleichniß,<lb/>
das nur zu klar auf die gefährlichen Liebko¬<lb/>ſungen einer Circe deutete, verdroß Laertes<lb/>
über die maaßen, und er konnte dem Baron<lb/>
nicht ohne Ärgerniß zuhören, der ohne Barm¬<lb/>
herzigkeit fortfuhr:</p><lb/><p>Jeder Fremde glaubt, daß er der erſte<lb/>ſey, dem ein ſo angenehmes Betragen gelte;<lb/>
aber er irrt gewaltig, denn wir alle ſind ein¬<lb/>
mal auf dieſem Wege herum geführt wor¬<lb/>
den; Mann, Jüngling oder Knabe, er ſey<lb/>
wer er ſey, muß ſich eine Zeitlang ihr erge¬<lb/>
ben, ihr anhängen, und ſich mit Sehnſucht<lb/>
um ſie bemühen.</p><lb/><p>Den Glücklichen, der eben, in die Gärten<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[94/0102]
Denn als Laertes ſie einſt laut rühmte,
und ſie allen andern ihres Geſchlechts vor¬
zog, verſetzte der Baron ſcherzend: ich merke
ſchon wie die Sachen ſtehen, unſre liebe
Freundin hat wieder einen für ihre Ställe
gewonnen. Dieſes unglückliche Gleichniß,
das nur zu klar auf die gefährlichen Liebko¬
ſungen einer Circe deutete, verdroß Laertes
über die maaßen, und er konnte dem Baron
nicht ohne Ärgerniß zuhören, der ohne Barm¬
herzigkeit fortfuhr:
Jeder Fremde glaubt, daß er der erſte
ſey, dem ein ſo angenehmes Betragen gelte;
aber er irrt gewaltig, denn wir alle ſind ein¬
mal auf dieſem Wege herum geführt wor¬
den; Mann, Jüngling oder Knabe, er ſey
wer er ſey, muß ſich eine Zeitlang ihr erge¬
ben, ihr anhängen, und ſich mit Sehnſucht
um ſie bemühen.
Den Glücklichen, der eben, in die Gärten
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1795, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre02_1795/102>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.