Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 1. Berlin, 1795.

Bild:
<< vorherige Seite

mit dem besten Willen in keines auch nur
bis in die Hälfte sich hinein lesen können.

Dagegen hatte er sich desto eifriger an
Beyspiele gehalten, und in allen Arten die
ihm bekannt worden waren, selbst Versuche
gemacht.

Werner trat herein, und als er seinen
Freund mit den bekannten Heften beschäftigt
sah, rief er aus: Bist du schon wieder über
diesen Papieren? Ich wette, du hast nicht
die Absicht, eins oder das andere zu vollen¬
den! Du siehst sie durch und wieder durch,
und beginnst allenfalls etwas neues. --

Zu vollenden ist nicht die Sache des
Schülers, es ist genug, wenn er sich übt --

Aber doch fertig macht, so gut er kann.

Und doch ließe sich wohl die Frage auf¬
werfen: ob man nicht eben gute Hoffnung
von einem jungen Menschen fassen könne,
der bald gewahr wird, wenn er etwas Unge¬

mit dem beſten Willen in keines auch nur
bis in die Hälfte ſich hinein leſen können.

Dagegen hatte er ſich deſto eifriger an
Beyſpiele gehalten, und in allen Arten die
ihm bekannt worden waren, ſelbſt Verſuche
gemacht.

Werner trat herein, und als er ſeinen
Freund mit den bekannten Heften beſchäftigt
ſah, rief er aus: Biſt du ſchon wieder über
dieſen Papieren? Ich wette, du haſt nicht
die Abſicht, eins oder das andere zu vollen¬
den! Du ſiehſt ſie durch und wieder durch,
und beginnſt allenfalls etwas neues. —

Zu vollenden iſt nicht die Sache des
Schülers, es iſt genug, wenn er ſich übt —

Aber doch fertig macht, ſo gut er kann.

Und doch ließe ſich wohl die Frage auf¬
werfen: ob man nicht eben gute Hoffnung
von einem jungen Menſchen faſſen könne,
der bald gewahr wird, wenn er etwas Unge¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0086" n="78"/>
mit dem be&#x017F;ten Willen in keines auch nur<lb/>
bis in die Hälfte &#x017F;ich hinein le&#x017F;en können.</p><lb/>
            <p>Dagegen hatte er &#x017F;ich de&#x017F;to eifriger an<lb/>
Bey&#x017F;piele gehalten, und in allen Arten die<lb/>
ihm bekannt worden waren, &#x017F;elb&#x017F;t Ver&#x017F;uche<lb/>
gemacht.</p><lb/>
            <p>Werner trat herein, und als er &#x017F;einen<lb/>
Freund mit den bekannten Heften be&#x017F;chäftigt<lb/>
&#x017F;ah, rief er aus: Bi&#x017F;t du &#x017F;chon wieder über<lb/>
die&#x017F;en Papieren? Ich wette, du ha&#x017F;t nicht<lb/>
die Ab&#x017F;icht, eins oder das andere zu vollen¬<lb/>
den! Du &#x017F;ieh&#x017F;t &#x017F;ie durch und wieder durch,<lb/>
und beginn&#x017F;t allenfalls etwas neues. &#x2014;</p><lb/>
            <p>Zu vollenden i&#x017F;t nicht die Sache des<lb/>
Schülers, es i&#x017F;t genug, wenn er &#x017F;ich übt &#x2014;</p><lb/>
            <p>Aber doch fertig macht, &#x017F;o gut er kann.</p><lb/>
            <p>Und doch ließe &#x017F;ich wohl die Frage auf¬<lb/>
werfen: ob man nicht eben gute Hoffnung<lb/>
von einem jungen Men&#x017F;chen fa&#x017F;&#x017F;en könne,<lb/>
der bald gewahr wird, wenn er etwas Unge¬<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[78/0086] mit dem beſten Willen in keines auch nur bis in die Hälfte ſich hinein leſen können. Dagegen hatte er ſich deſto eifriger an Beyſpiele gehalten, und in allen Arten die ihm bekannt worden waren, ſelbſt Verſuche gemacht. Werner trat herein, und als er ſeinen Freund mit den bekannten Heften beſchäftigt ſah, rief er aus: Biſt du ſchon wieder über dieſen Papieren? Ich wette, du haſt nicht die Abſicht, eins oder das andere zu vollen¬ den! Du ſiehſt ſie durch und wieder durch, und beginnſt allenfalls etwas neues. — Zu vollenden iſt nicht die Sache des Schülers, es iſt genug, wenn er ſich übt — Aber doch fertig macht, ſo gut er kann. Und doch ließe ſich wohl die Frage auf¬ werfen: ob man nicht eben gute Hoffnung von einem jungen Menſchen faſſen könne, der bald gewahr wird, wenn er etwas Unge¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre01_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre01_1795/86
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 1. Berlin, 1795, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre01_1795/86>, abgerufen am 09.05.2024.