Nacht hervordrang, und der klingende Ton der Grillen durch die feierliche Stille schrillte, sagte ich mir die Geschichte des traurigen Zweykampfs zwischen Tancred und Chlorin¬ den vor.
So sehr ich, wie billig, von der Partey der Christen war, stand ich doch der heidni¬ schen Heldin mit ganzem Herzen bey, als sie unternahm, den großen Thurm der Belagerer anzuzünden. Und wie nun Tancred dem vermeynten Krieger in der Nacht begegnet, unter der düstern Hülle der Streit beginnt, und sie gewaltig kämpfen! -- Ich konnte nie die Worte aussprechen:
Allein das Lebensmaß Chlorindens ist nun voll, Und ihre Stunde kommt, in der sie sterben soll!
daß mir nicht die Thränen in die Augen kamen, die reichlich flossen, wie der unglück¬ liche Liebhaber ihr das Schwert in die Brust stöst, der Sinkenden den Helm löst, sie er¬
Nacht hervordrang, und der klingende Ton der Grillen durch die feierliche Stille ſchrillte, ſagte ich mir die Geſchichte des traurigen Zweykampfs zwiſchen Tancred und Chlorin¬ den vor.
So ſehr ich, wie billig, von der Partey der Chriſten war, ſtand ich doch der heidni¬ ſchen Heldin mit ganzem Herzen bey, als ſie unternahm, den großen Thurm der Belagerer anzuzünden. Und wie nun Tancred dem vermeynten Krieger in der Nacht begegnet, unter der düſtern Hülle der Streit beginnt, und ſie gewaltig kämpfen! — Ich konnte nie die Worte ausſprechen:
Allein das Lebensmaß Chlorindens iſt nun voll, Und ihre Stunde kommt, in der ſie ſterben ſoll!
daß mir nicht die Thränen in die Augen kamen, die reichlich floſſen, wie der unglück¬ liche Liebhaber ihr das Schwert in die Bruſt ſtöst, der Sinkenden den Helm löst, ſie er¬
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Nacht hervordrang, und der klingende Ton
der Grillen durch die feierliche Stille ſchrillte,
ſagte ich mir die Geſchichte des traurigen
Zweykampfs zwiſchen Tancred und Chlorin¬
den vor.
So ſehr ich, wie billig, von der Partey
der Chriſten war, ſtand ich doch der heidni¬
ſchen Heldin mit ganzem Herzen bey, als ſie
unternahm, den großen Thurm der Belagerer
anzuzünden. Und wie nun Tancred dem
vermeynten Krieger in der Nacht begegnet,
unter der düſtern Hülle der Streit beginnt,
und ſie gewaltig kämpfen! — Ich konnte
nie die Worte ausſprechen:
Allein das Lebensmaß Chlorindens iſt nun voll,
Und ihre Stunde kommt, in der ſie ſterben ſoll!
daß mir nicht die Thränen in die Augen
kamen, die reichlich floſſen, wie der unglück¬
liche Liebhaber ihr das Schwert in die Bruſt
ſtöst, der Sinkenden den Helm löst, ſie er¬
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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 1. Berlin, 1795, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre01_1795/62>, abgerufen am 27.11.2024.
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