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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 1. Berlin, 1795.

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ren umkränzt, große blaue Augen blickten
sanft unter langen weißen Augenbraunen
hervor. An eine wohlgebildete Nase schloß
sich ein langer weißer Bart an, ohne die ge¬
fällige Lippe zu bedecken, und ein langes
dunkelbraunes Gewand umhüllte den schlan¬
ken Körper vom Halse bis zu den Füßen,
und so fing er auf der Harfe, die er vor
sich genommen hatte, zu präludiren an.

Die angenehmen Töne, die er aus dem
Instrumente hervorlockte, erheiterten gar bald
die Gesellschaft.

Ihr pflegt auch zu singen, guter Alter,
sagte Philine.

Gebt uns etwas, das Herz und Geist zu¬
gleich mit den Sinnen ergötze, sagte Wil¬
helm. Das Instrument sollte nur die Stim¬
me begleiten; denn Melodien, Gänge und
Läufe ohne Worte und Sinn, scheinen mir
Schmetterlingen oder schönen bunten Vögeln

ren umkränzt, große blaue Augen blickten
ſanft unter langen weißen Augenbraunen
hervor. An eine wohlgebildete Naſe ſchloß
ſich ein langer weißer Bart an, ohne die ge¬
fällige Lippe zu bedecken, und ein langes
dunkelbraunes Gewand umhüllte den ſchlan¬
ken Körper vom Halſe bis zu den Füßen,
und ſo fing er auf der Harfe, die er vor
ſich genommen hatte, zu präludiren an.

Die angenehmen Töne, die er aus dem
Inſtrumente hervorlockte, erheiterten gar bald
die Geſellſchaft.

Ihr pflegt auch zu ſingen, guter Alter,
ſagte Philine.

Gebt uns etwas, das Herz und Geiſt zu¬
gleich mit den Sinnen ergötze, ſagte Wil¬
helm. Das Inſtrument ſollte nur die Stim¬
me begleiten; denn Melodien, Gänge und
Läufe ohne Worte und Sinn, ſcheinen mir
Schmetterlingen oder ſchönen bunten Vögeln

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[324/0332] ren umkränzt, große blaue Augen blickten ſanft unter langen weißen Augenbraunen hervor. An eine wohlgebildete Naſe ſchloß ſich ein langer weißer Bart an, ohne die ge¬ fällige Lippe zu bedecken, und ein langes dunkelbraunes Gewand umhüllte den ſchlan¬ ken Körper vom Halſe bis zu den Füßen, und ſo fing er auf der Harfe, die er vor ſich genommen hatte, zu präludiren an. Die angenehmen Töne, die er aus dem Inſtrumente hervorlockte, erheiterten gar bald die Geſellſchaft. Ihr pflegt auch zu ſingen, guter Alter, ſagte Philine. Gebt uns etwas, das Herz und Geiſt zu¬ gleich mit den Sinnen ergötze, ſagte Wil¬ helm. Das Inſtrument ſollte nur die Stim¬ me begleiten; denn Melodien, Gänge und Läufe ohne Worte und Sinn, ſcheinen mir Schmetterlingen oder ſchönen bunten Vögeln

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 1. Berlin, 1795, S. 324. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre01_1795/332>, abgerufen am 22.11.2024.