als Werner hereintrat, sich über die lebhafte Flamme verwunderte, und fragte, was hier vorgehe?
Ich gebe einen Beweis, sagte Wilhelm, daß es mir ernst sey, ein Handwerk aufzu¬ geben, wozu ich nicht geboren ward; und mit diesen Worten warf er das zweyte Pa¬ quet in das Feuer. Werner wollte ihn ab¬ halten, allein es war geschehen.
Ich sehe nicht ein, wie du zu diesem Ex¬ trem kommst, sagte dieser. Warum sollen denn nun diese Arbeiten, wenn sie nicht vor¬ trefflich sind, gar vernichtet werden?
Weil ein Gedicht entweder vortrefflich seyn, oder gar nicht existiren soll. Weil jeder, der keine Anlage hat, das Beste zu leisten, sich der Kunst enthalten, und sich vor jeder Verführung dazu ernstlich in Acht nehmen sollte. Denn freylich regt sich in jedem Menschen ein gewisses unbestimmtes
als Werner hereintrat, ſich über die lebhafte Flamme verwunderte, und fragte, was hier vorgehe?
Ich gebe einen Beweis, ſagte Wilhelm, daß es mir ernſt ſey, ein Handwerk aufzu¬ geben, wozu ich nicht geboren ward; und mit dieſen Worten warf er das zweyte Pa¬ quet in das Feuer. Werner wollte ihn ab¬ halten, allein es war geſchehen.
Ich ſehe nicht ein, wie du zu dieſem Ex¬ trem kommſt, ſagte dieſer. Warum ſollen denn nun dieſe Arbeiten, wenn ſie nicht vor¬ trefflich ſind, gar vernichtet werden?
Weil ein Gedicht entweder vortrefflich ſeyn, oder gar nicht exiſtiren ſoll. Weil jeder, der keine Anlage hat, das Beſte zu leiſten, ſich der Kunſt enthalten, und ſich vor jeder Verführung dazu ernſtlich in Acht nehmen ſollte. Denn freylich regt ſich in jedem Menſchen ein gewiſſes unbeſtimmtes
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0207"n="199"/>
als Werner hereintrat, ſich über die lebhafte<lb/>
Flamme verwunderte, und fragte, was hier<lb/>
vorgehe?</p><lb/><p>Ich gebe einen Beweis, ſagte Wilhelm,<lb/>
daß es mir ernſt ſey, ein Handwerk aufzu¬<lb/>
geben, wozu ich nicht geboren ward; und<lb/>
mit dieſen Worten warf er das zweyte Pa¬<lb/>
quet in das Feuer. Werner wollte ihn ab¬<lb/>
halten, allein es war geſchehen.</p><lb/><p>Ich ſehe nicht ein, wie du zu dieſem Ex¬<lb/>
trem kommſt, ſagte dieſer. Warum ſollen<lb/>
denn nun dieſe Arbeiten, wenn ſie nicht vor¬<lb/>
trefflich ſind, gar vernichtet werden?</p><lb/><p>Weil ein Gedicht entweder vortrefflich<lb/>ſeyn, oder gar nicht exiſtiren ſoll. Weil<lb/>
jeder, der keine Anlage hat, das Beſte zu<lb/>
leiſten, ſich der Kunſt enthalten, und ſich<lb/>
vor jeder Verführung dazu ernſtlich in Acht<lb/>
nehmen ſollte. Denn freylich regt ſich in<lb/>
jedem Menſchen ein gewiſſes unbeſtimmtes<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[199/0207]
als Werner hereintrat, ſich über die lebhafte
Flamme verwunderte, und fragte, was hier
vorgehe?
Ich gebe einen Beweis, ſagte Wilhelm,
daß es mir ernſt ſey, ein Handwerk aufzu¬
geben, wozu ich nicht geboren ward; und
mit dieſen Worten warf er das zweyte Pa¬
quet in das Feuer. Werner wollte ihn ab¬
halten, allein es war geſchehen.
Ich ſehe nicht ein, wie du zu dieſem Ex¬
trem kommſt, ſagte dieſer. Warum ſollen
denn nun dieſe Arbeiten, wenn ſie nicht vor¬
trefflich ſind, gar vernichtet werden?
Weil ein Gedicht entweder vortrefflich
ſeyn, oder gar nicht exiſtiren ſoll. Weil
jeder, der keine Anlage hat, das Beſte zu
leiſten, ſich der Kunſt enthalten, und ſich
vor jeder Verführung dazu ernſtlich in Acht
nehmen ſollte. Denn freylich regt ſich in
jedem Menſchen ein gewiſſes unbeſtimmtes
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 1. Berlin, 1795, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre01_1795/207>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.