lung seines Geistes an, aus der Feder ge¬ flossen war. Noch lagen seine Schriften in Bündel gebunden auf dem Boden des Kof¬ fers, wohin er sie gepackt hatte, als er sie auf seiner Flucht mitzunehmen hoffte. Wie ganz anders eröffnete er sie jetzt, als er sie damals zusammen band!
Wenn wir einen Brief, den wir unter gewissen Umständen geschrieben und gesiegelt haben, der aber den Freund, an den er ge¬ richtet war, nicht antrift, sondern wieder zu uns zurück gebracht wird, nach einiger Zeit eröffnen, überfällt uns eine sonderbare Em¬ pfindung, indem wir unser eignes Siegel erbrechen, und uns mit unsern veränderten Selbst wie mit einer dritten Person unter¬ halten. Ein ähnliches Gefühl ergriff mit Heftigkeit unsern Freund, als er das erste Paquet eröffnete, die zertheilten Hefte ins Feuer warf, die eben gewaltsam aufloderten,
lung ſeines Geiſtes an, aus der Feder ge¬ floſſen war. Noch lagen ſeine Schriften in Bündel gebunden auf dem Boden des Kof¬ fers, wohin er ſie gepackt hatte, als er ſie auf ſeiner Flucht mitzunehmen hoffte. Wie ganz anders eröffnete er ſie jetzt, als er ſie damals zuſammen band!
Wenn wir einen Brief, den wir unter gewiſſen Umſtänden geſchrieben und geſiegelt haben, der aber den Freund, an den er ge¬ richtet war, nicht antrift, ſondern wieder zu uns zurück gebracht wird, nach einiger Zeit eröffnen, überfällt uns eine ſonderbare Em¬ pfindung, indem wir unſer eignes Siegel erbrechen, und uns mit unſern veränderten Selbſt wie mit einer dritten Perſon unter¬ halten. Ein ähnliches Gefühl ergriff mit Heftigkeit unſern Freund, als er das erſte Paquet eröffnete, die zertheilten Hefte ins Feuer warf, die eben gewaltſam aufloderten,
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[198/0206]
lung ſeines Geiſtes an, aus der Feder ge¬
floſſen war. Noch lagen ſeine Schriften in
Bündel gebunden auf dem Boden des Kof¬
fers, wohin er ſie gepackt hatte, als er ſie
auf ſeiner Flucht mitzunehmen hoffte. Wie
ganz anders eröffnete er ſie jetzt, als er ſie
damals zuſammen band!
Wenn wir einen Brief, den wir unter
gewiſſen Umſtänden geſchrieben und geſiegelt
haben, der aber den Freund, an den er ge¬
richtet war, nicht antrift, ſondern wieder zu
uns zurück gebracht wird, nach einiger Zeit
eröffnen, überfällt uns eine ſonderbare Em¬
pfindung, indem wir unſer eignes Siegel
erbrechen, und uns mit unſern veränderten
Selbſt wie mit einer dritten Perſon unter¬
halten. Ein ähnliches Gefühl ergriff mit
Heftigkeit unſern Freund, als er das erſte
Paquet eröffnete, die zertheilten Hefte ins
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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 1. Berlin, 1795, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre01_1795/206>, abgerufen am 22.11.2024.
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