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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 1. Berlin, 1795.

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einigermaßen denkbar zu machen suche; hier
ist nur die Frage, welche Vorstellungsart zu
unserm Besten gereicht. Das Gewebe dieser
Welt ist aus Nothwendigkeit und Zufall ge¬
bildet, die Vernunft des Menschen stellt sich
zwischen beide, und weiß sie zu beherrschen,
sie behandelt das Nothwendige als den
Grund ihres Daseyns, das Zufällige weiß sie
zu lenken, zu leiten und zu nutzen, und nur,
indem sie fest und unerschütterlich steht, ver¬
dient der Mensch ein Gott der Erde genannt
zu werden. Wehe dem, der sich von Jugend
auf gewöhnt, in dem Nothwendigen etwas
Willkürliches finden zu wollen, der dem Zu¬
fälligen eine Art von Vernunft zuschreiben
möchte, welcher zu folgen sogar eine Religion
sey. Heißt das etwas weiter, als seinem
eignem Verstande entsagen, und seinen Nei¬
gungen unbedingten Raum geben? Wir bil¬
den uns ein, fromm zu seyn, indem wir ohne

einigermaßen denkbar zu machen ſuche; hier
iſt nur die Frage, welche Vorſtellungsart zu
unſerm Beſten gereicht. Das Gewebe dieſer
Welt iſt aus Nothwendigkeit und Zufall ge¬
bildet, die Vernunft des Menſchen ſtellt ſich
zwiſchen beide, und weiß ſie zu beherrſchen,
ſie behandelt das Nothwendige als den
Grund ihres Daſeyns, das Zufällige weiß ſie
zu lenken, zu leiten und zu nutzen, und nur,
indem ſie feſt und unerſchütterlich ſteht, ver¬
dient der Menſch ein Gott der Erde genannt
zu werden. Wehe dem, der ſich von Jugend
auf gewöhnt, in dem Nothwendigen etwas
Willkürliches finden zu wollen, der dem Zu¬
fälligen eine Art von Vernunft zuſchreiben
möchte, welcher zu folgen ſogar eine Religion
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[172/0180] einigermaßen denkbar zu machen ſuche; hier iſt nur die Frage, welche Vorſtellungsart zu unſerm Beſten gereicht. Das Gewebe dieſer Welt iſt aus Nothwendigkeit und Zufall ge¬ bildet, die Vernunft des Menſchen ſtellt ſich zwiſchen beide, und weiß ſie zu beherrſchen, ſie behandelt das Nothwendige als den Grund ihres Daſeyns, das Zufällige weiß ſie zu lenken, zu leiten und zu nutzen, und nur, indem ſie feſt und unerſchütterlich ſteht, ver¬ dient der Menſch ein Gott der Erde genannt zu werden. Wehe dem, der ſich von Jugend auf gewöhnt, in dem Nothwendigen etwas Willkürliches finden zu wollen, der dem Zu¬ fälligen eine Art von Vernunft zuſchreiben möchte, welcher zu folgen ſogar eine Religion ſey. Heißt das etwas weiter, als ſeinem eignem Verſtande entſagen, und ſeinen Nei¬ gungen unbedingten Raum geben? Wir bil¬ den uns ein, fromm zu ſeyn, indem wir ohne

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 1. Berlin, 1795, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre01_1795/180>, abgerufen am 24.11.2024.