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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 1. Berlin, 1795.

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Dieses half so viel, daß man das Mäd¬
chen abtreten, dafür aber den jungen Men¬
schen, nachdem man ihm vor der Thüre die
Fesseln abgenommen hatte, hereinkommen
ließ. Dieser schien über sein Schicksal mehr
nachdenkend. Seine Antworten waren ge¬
setzter, und wenn er von einer Seite weni¬
ger heroische Freymüthigkeit zeigte, so em¬
pfahl er sich hingegen durch Bestimmtheit
und Ordnung seiner Aussage.

Da auch dieses Verhör geendiget war,
welches mit dem vorigen in allem überein¬
stimmte, nur daß er, um das Mädchen zu
schonen, hartnäckig läugnete, was sie selbst
schon bekannt hatte, ließ man auch sie end¬
lich wieder vortreten, und es entstand zwi¬
schen beiden eine Scene, welche ihnen das
Herz unsers Freundes gänzlich zu eigen
machte.

Was nur in Romanen und Komödien

Dieſes half ſo viel, daß man das Mäd¬
chen abtreten, dafür aber den jungen Men¬
ſchen, nachdem man ihm vor der Thüre die
Feſſeln abgenommen hatte, hereinkommen
ließ. Dieſer ſchien über ſein Schickſal mehr
nachdenkend. Seine Antworten waren ge¬
ſetzter, und wenn er von einer Seite weni¬
ger heroiſche Freymüthigkeit zeigte, ſo em¬
pfahl er ſich hingegen durch Beſtimmtheit
und Ordnung ſeiner Ausſage.

Da auch dieſes Verhör geendiget war,
welches mit dem vorigen in allem überein¬
ſtimmte, nur daß er, um das Mädchen zu
ſchonen, hartnäckig läugnete, was ſie ſelbſt
ſchon bekannt hatte, ließ man auch ſie end¬
lich wieder vortreten, und es entſtand zwi¬
ſchen beiden eine Scene, welche ihnen das
Herz unſers Freundes gänzlich zu eigen
machte.

Was nur in Romanen und Komödien

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[119/0127] Dieſes half ſo viel, daß man das Mäd¬ chen abtreten, dafür aber den jungen Men¬ ſchen, nachdem man ihm vor der Thüre die Feſſeln abgenommen hatte, hereinkommen ließ. Dieſer ſchien über ſein Schickſal mehr nachdenkend. Seine Antworten waren ge¬ ſetzter, und wenn er von einer Seite weni¬ ger heroiſche Freymüthigkeit zeigte, ſo em¬ pfahl er ſich hingegen durch Beſtimmtheit und Ordnung ſeiner Ausſage. Da auch dieſes Verhör geendiget war, welches mit dem vorigen in allem überein¬ ſtimmte, nur daß er, um das Mädchen zu ſchonen, hartnäckig läugnete, was ſie ſelbſt ſchon bekannt hatte, ließ man auch ſie end¬ lich wieder vortreten, und es entſtand zwi¬ ſchen beiden eine Scene, welche ihnen das Herz unſers Freundes gänzlich zu eigen machte. Was nur in Romanen und Komödien

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 1. Berlin, 1795, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre01_1795/127>, abgerufen am 27.11.2024.