Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814.

Bild:
<< vorherige Seite

cultät mit fortgerissen. Ueberhaupt, wenn
ich Interesse finden sollte, so mußte ich einer
Sache irgend etwas abgewinnen, ich mußte
etwas an ihr gewahr werden, das mir frucht¬
bar schien und Aussichten gab. So hatte
ich mir einige Materien wohl gemerkt, auch
sogar darauf gesammelt, und nahm auch mei¬
ne Collectaneen vor, überlegte das was ich
behaupten, das Schema, wonach ich die ein¬
zelnen Elemente ordnen wollte, nochmals,
und arbeitete so eine Zeit lang; allein ich
war klug genug, bald zu sehen, daß ich nicht
fortkommen könne und daß, um eine beson¬
dere Materie abzuhandeln, auch ein besonde¬
rer und lang anhaltender Fleiß erforderlich
sey, ja daß man nicht einmal ein solches Be¬
sondere mit Glück vollführen werde, wenn
man nicht im Ganzen wo nicht Meister, doch
wenigstens Altgeselle sey.

Die Freunde, denen ich meine Verlegen¬
heit mittheilte, fanden mich lächerlich, weil

cultaͤt mit fortgeriſſen. Ueberhaupt, wenn
ich Intereſſe finden ſollte, ſo mußte ich einer
Sache irgend etwas abgewinnen, ich mußte
etwas an ihr gewahr werden, das mir frucht¬
bar ſchien und Auſſichten gab. So hatte
ich mir einige Materien wohl gemerkt, auch
ſogar darauf geſammelt, und nahm auch mei¬
ne Collectaneen vor, uͤberlegte das was ich
behaupten, das Schema, wonach ich die ein¬
zelnen Elemente ordnen wollte, nochmals,
und arbeitete ſo eine Zeit lang; allein ich
war klug genug, bald zu ſehen, daß ich nicht
fortkommen koͤnne und daß, um eine beſon¬
dere Materie abzuhandeln, auch ein beſonde¬
rer und lang anhaltender Fleiß erforderlich
ſey, ja daß man nicht einmal ein ſolches Be¬
ſondere mit Gluͤck vollfuͤhren werde, wenn
man nicht im Ganzen wo nicht Meiſter, doch
wenigſtens Altgeſelle ſey.

Die Freunde, denen ich meine Verlegen¬
heit mittheilte, fanden mich laͤcherlich, weil

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0067" n="59"/>
culta&#x0364;t mit fortgeri&#x017F;&#x017F;en. Ueberhaupt, wenn<lb/>
ich Intere&#x017F;&#x017F;e finden &#x017F;ollte, &#x017F;o mußte ich einer<lb/>
Sache irgend etwas abgewinnen, ich mußte<lb/>
etwas an ihr gewahr werden, das mir frucht¬<lb/>
bar &#x017F;chien und Au&#x017F;&#x017F;ichten gab. So hatte<lb/>
ich mir einige Materien wohl gemerkt, auch<lb/>
&#x017F;ogar darauf ge&#x017F;ammelt, und nahm auch mei¬<lb/>
ne Collectaneen vor, u&#x0364;berlegte das was ich<lb/>
behaupten, das Schema, wonach ich die ein¬<lb/>
zelnen Elemente ordnen wollte, nochmals,<lb/>
und arbeitete &#x017F;o eine Zeit lang; allein ich<lb/>
war klug genug, bald zu &#x017F;ehen, daß ich nicht<lb/>
fortkommen ko&#x0364;nne und daß, um eine be&#x017F;on¬<lb/>
dere Materie abzuhandeln, auch ein be&#x017F;onde¬<lb/>
rer und lang anhaltender Fleiß erforderlich<lb/>
&#x017F;ey, ja daß man nicht einmal ein &#x017F;olches Be¬<lb/>
&#x017F;ondere mit Glu&#x0364;ck vollfu&#x0364;hren werde, wenn<lb/>
man nicht im Ganzen wo nicht Mei&#x017F;ter, doch<lb/>
wenig&#x017F;tens Altge&#x017F;elle &#x017F;ey.</p><lb/>
        <p>Die Freunde, denen ich meine Verlegen¬<lb/>
heit mittheilte, fanden mich la&#x0364;cherlich, weil<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[59/0067] cultaͤt mit fortgeriſſen. Ueberhaupt, wenn ich Intereſſe finden ſollte, ſo mußte ich einer Sache irgend etwas abgewinnen, ich mußte etwas an ihr gewahr werden, das mir frucht¬ bar ſchien und Auſſichten gab. So hatte ich mir einige Materien wohl gemerkt, auch ſogar darauf geſammelt, und nahm auch mei¬ ne Collectaneen vor, uͤberlegte das was ich behaupten, das Schema, wonach ich die ein¬ zelnen Elemente ordnen wollte, nochmals, und arbeitete ſo eine Zeit lang; allein ich war klug genug, bald zu ſehen, daß ich nicht fortkommen koͤnne und daß, um eine beſon¬ dere Materie abzuhandeln, auch ein beſonde¬ rer und lang anhaltender Fleiß erforderlich ſey, ja daß man nicht einmal ein ſolches Be¬ ſondere mit Gluͤck vollfuͤhren werde, wenn man nicht im Ganzen wo nicht Meiſter, doch wenigſtens Altgeſelle ſey. Die Freunde, denen ich meine Verlegen¬ heit mittheilte, fanden mich laͤcherlich, weil

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/67
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/67>, abgerufen am 03.05.2024.