man wollte finden, daß mir eine Schwester, der Mutter eine Gehülfinn, dem Vater ein Lehrling abgehe; und bey diesen Reden blieb es nicht. Es ergab sich wie von ungefähr, daß meine Aeltern jenem Frauenzimmer auf einem Spazirgang begegneten, sie in den Garten ein¬ luden und sich mit ihr längere Zeit unterhielten. Hierüber ward nun beym Abendtische gescherzt, und mit einem gewissen Behagen bemerkt, daß sie dem Vater wohlgefallen, indem sie die Haupteigenschaften, die er als ein Kenner von einem Frauenzimmer fordere, sämmtlich besitze.
Hierauf ward im ersten Stock eins und das andere veranstaltet, eben als wenn man Gäste zu erwarten habe, das Leinwandgeräte gemustert, und auch an einigen bisher ver¬ nachlässigten Hausrat gedacht. Da überrasch¬ te ich nun einst meine Mutter, als sie in einer Bodenkammer die alten Wiegen betrachtete, worunter eine übergroße von Nußbaum, mit
man wollte finden, daß mir eine Schweſter, der Mutter eine Gehuͤlfinn, dem Vater ein Lehrling abgehe; und bey dieſen Reden blieb es nicht. Es ergab ſich wie von ungefaͤhr, daß meine Aeltern jenem Frauenzimmer auf einem Spazirgang begegneten, ſie in den Garten ein¬ luden und ſich mit ihr laͤngere Zeit unterhielten. Hieruͤber ward nun beym Abendtiſche geſcherzt, und mit einem gewiſſen Behagen bemerkt, daß ſie dem Vater wohlgefallen, indem ſie die Haupteigenſchaften, die er als ein Kenner von einem Frauenzimmer fordere, ſaͤmmtlich beſitze.
Hierauf ward im erſten Stock eins und das andere veranſtaltet, eben als wenn man Gaͤſte zu erwarten habe, das Leinwandgeraͤte gemuſtert, und auch an einigen bisher ver¬ nachlaͤſſigten Hausrat gedacht. Da uͤberraſch¬ te ich nun einſt meine Mutter, als ſie in einer Bodenkammer die alten Wiegen betrachtete, worunter eine uͤbergroße von Nußbaum, mit
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0545"n="537"/>
man wollte finden, daß mir eine Schweſter,<lb/>
der Mutter eine Gehuͤlfinn, dem Vater ein<lb/>
Lehrling abgehe; und bey dieſen Reden blieb<lb/>
es nicht. Es ergab ſich wie von ungefaͤhr, daß<lb/>
meine Aeltern jenem Frauenzimmer auf einem<lb/>
Spazirgang begegneten, ſie in den Garten ein¬<lb/>
luden und ſich mit ihr laͤngere Zeit unterhielten.<lb/>
Hieruͤber ward nun beym Abendtiſche geſcherzt,<lb/>
und mit einem gewiſſen Behagen bemerkt,<lb/>
daß ſie dem Vater wohlgefallen, indem ſie die<lb/>
Haupteigenſchaften, die er als ein Kenner von<lb/>
einem Frauenzimmer fordere, ſaͤmmtlich beſitze.</p><lb/><p>Hierauf ward im erſten Stock eins und<lb/>
das andere veranſtaltet, eben als wenn man<lb/>
Gaͤſte zu erwarten habe, das Leinwandgeraͤte<lb/>
gemuſtert, und auch an einigen bisher ver¬<lb/>
nachlaͤſſigten Hausrat gedacht. Da uͤberraſch¬<lb/>
te ich nun einſt meine Mutter, als ſie in einer<lb/>
Bodenkammer die alten Wiegen betrachtete,<lb/>
worunter eine uͤbergroße von Nußbaum, mit<lb/></p></div></body></text></TEI>
[537/0545]
man wollte finden, daß mir eine Schweſter,
der Mutter eine Gehuͤlfinn, dem Vater ein
Lehrling abgehe; und bey dieſen Reden blieb
es nicht. Es ergab ſich wie von ungefaͤhr, daß
meine Aeltern jenem Frauenzimmer auf einem
Spazirgang begegneten, ſie in den Garten ein¬
luden und ſich mit ihr laͤngere Zeit unterhielten.
Hieruͤber ward nun beym Abendtiſche geſcherzt,
und mit einem gewiſſen Behagen bemerkt,
daß ſie dem Vater wohlgefallen, indem ſie die
Haupteigenſchaften, die er als ein Kenner von
einem Frauenzimmer fordere, ſaͤmmtlich beſitze.
Hierauf ward im erſten Stock eins und
das andere veranſtaltet, eben als wenn man
Gaͤſte zu erwarten habe, das Leinwandgeraͤte
gemuſtert, und auch an einigen bisher ver¬
nachlaͤſſigten Hausrat gedacht. Da uͤberraſch¬
te ich nun einſt meine Mutter, als ſie in einer
Bodenkammer die alten Wiegen betrachtete,
worunter eine uͤbergroße von Nußbaum, mit
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814, S. 537. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/545>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.