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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814.

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in Gegenwart des guten geistlichen Vaters, in
gotteslästerliche Reden aus und versicherte,
daß diese Schnaken allein mich von dem Ge¬
danken abbringen könnten, als habe ein gu¬
ter und weiser Gott die Welt erschaffen.
Der alte fromme Herr rief mich dagegen
ernstlich zur Ordnung und verständigte mich,
daß diese Mücken und anderes Ungeziefer erst
nach dem Falle unserer ersten Aeltern entstan¬
den, oder wenn deren im Paradiese gewesen,
daselbst nur angenehm gesummet und nicht ge¬
stochen hätten. Ich fühlte mich zwar sogleich
besänftigt: denn ein Zorniger ist wohl zu be¬
gütigen, wenn es uns glückt, ihn zum Lä¬
cheln zu bringen; ich versicherte jedoch, es
habe des Engels mit dem flammenden Schwerd¬
te gar nicht bedurft, um das sündige Ehe¬
paar aus dem Garten zu treiben; er müsse mir
vielmehr erlauben, mir vorzustellen, daß dieß
durch große Schnaken des Tigris und Euphrat
geschehn sey. Und so hatte ich ihn wieder
zum Lachen gebracht; denn der gute Mann

in Gegenwart des guten geiſtlichen Vaters, in
gotteslaͤſterliche Reden aus und verſicherte,
daß dieſe Schnaken allein mich von dem Ge¬
danken abbringen koͤnnten, als habe ein gu¬
ter und weiſer Gott die Welt erſchaffen.
Der alte fromme Herr rief mich dagegen
ernſtlich zur Ordnung und verſtaͤndigte mich,
daß dieſe Muͤcken und anderes Ungeziefer erſt
nach dem Falle unſerer erſten Aeltern entſtan¬
den, oder wenn deren im Paradieſe geweſen,
daſelbſt nur angenehm geſummet und nicht ge¬
ſtochen haͤtten. Ich fuͤhlte mich zwar ſogleich
beſaͤnftigt: denn ein Zorniger iſt wohl zu be¬
guͤtigen, wenn es uns gluͤckt, ihn zum Laͤ¬
cheln zu bringen; ich verſicherte jedoch, es
habe des Engels mit dem flammenden Schwerd¬
te gar nicht bedurft, um das ſuͤndige Ehe¬
paar aus dem Garten zu treiben; er muͤſſe mir
vielmehr erlauben, mir vorzuſtellen, daß dieß
durch große Schnaken des Tigris und Euphrat
geſchehn ſey. Und ſo hatte ich ihn wieder
zum Lachen gebracht; denn der gute Mann

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[43/0051] in Gegenwart des guten geiſtlichen Vaters, in gotteslaͤſterliche Reden aus und verſicherte, daß dieſe Schnaken allein mich von dem Ge¬ danken abbringen koͤnnten, als habe ein gu¬ ter und weiſer Gott die Welt erſchaffen. Der alte fromme Herr rief mich dagegen ernſtlich zur Ordnung und verſtaͤndigte mich, daß dieſe Muͤcken und anderes Ungeziefer erſt nach dem Falle unſerer erſten Aeltern entſtan¬ den, oder wenn deren im Paradieſe geweſen, daſelbſt nur angenehm geſummet und nicht ge¬ ſtochen haͤtten. Ich fuͤhlte mich zwar ſogleich beſaͤnftigt: denn ein Zorniger iſt wohl zu be¬ guͤtigen, wenn es uns gluͤckt, ihn zum Laͤ¬ cheln zu bringen; ich verſicherte jedoch, es habe des Engels mit dem flammenden Schwerd¬ te gar nicht bedurft, um das ſuͤndige Ehe¬ paar aus dem Garten zu treiben; er muͤſſe mir vielmehr erlauben, mir vorzuſtellen, daß dieß durch große Schnaken des Tigris und Euphrat geſchehn ſey. Und ſo hatte ich ihn wieder zum Lachen gebracht; denn der gute Mann

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/51>, abgerufen am 03.05.2024.