verstand Spaß, oder ließ ihn wenigstens vor¬ übergehn.
Ernsthafter jedoch und herzerhebender war der Genuß der Tags- und Jahreszeiten in diesem herrlichen Lande. Man durfte sich nur der Gegenwart hingeben, um diese Klarheit des reinen Himmels, diesen Glanz der rei¬ chen Erde, diese lauen Abende, diese war¬ men Nächte an der Seite der Geliebten oder in ihrer Nähe zu genießen. Monate lang beglückten uns reine ätherische Morgen, wo der Himmel sich in seiner ganzen Pracht wies, indem er die Erde mit überflüssigem Thau getränkt hatte; und damit dieses Schau¬ spiel nicht zu einfach werde, thürmten sich oft Wolken über die entfernten Berge, bald in dieser, bald in jener Gegend. Sie stan¬ den Tage, ja Wochen lang, ohne den reinen Himmel zu trüben, und selbst die vorübergehenden Gewitter erquickten das Land und verherrlichten das Grün, das schon
verſtand Spaß, oder ließ ihn wenigſtens vor¬ uͤbergehn.
Ernſthafter jedoch und herzerhebender war der Genuß der Tags- und Jahreszeiten in dieſem herrlichen Lande. Man durfte ſich nur der Gegenwart hingeben, um dieſe Klarheit des reinen Himmels, dieſen Glanz der rei¬ chen Erde, dieſe lauen Abende, dieſe war¬ men Naͤchte an der Seite der Geliebten oder in ihrer Naͤhe zu genießen. Monate lang begluͤckten uns reine aͤtheriſche Morgen, wo der Himmel ſich in ſeiner ganzen Pracht wies, indem er die Erde mit uͤberfluͤſſigem Thau getraͤnkt hatte; und damit dieſes Schau¬ ſpiel nicht zu einfach werde, thuͤrmten ſich oft Wolken uͤber die entfernten Berge, bald in dieſer, bald in jener Gegend. Sie ſtan¬ den Tage, ja Wochen lang, ohne den reinen Himmel zu truͤben, und ſelbſt die voruͤbergehenden Gewitter erquickten das Land und verherrlichten das Gruͤn, das ſchon
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0052"n="44"/>
verſtand Spaß, oder ließ ihn wenigſtens vor¬<lb/>
uͤbergehn.</p><lb/><p>Ernſthafter jedoch und herzerhebender war<lb/>
der Genuß der Tags- und Jahreszeiten in<lb/>
dieſem herrlichen Lande. Man durfte ſich nur<lb/>
der Gegenwart hingeben, um dieſe Klarheit<lb/>
des reinen Himmels, dieſen Glanz der rei¬<lb/>
chen Erde, dieſe lauen Abende, dieſe war¬<lb/>
men Naͤchte an der Seite der Geliebten oder<lb/>
in ihrer Naͤhe zu genießen. Monate lang<lb/>
begluͤckten uns reine aͤtheriſche Morgen, wo<lb/>
der Himmel ſich in ſeiner ganzen Pracht<lb/>
wies, indem er die Erde mit uͤberfluͤſſigem<lb/>
Thau getraͤnkt hatte; und damit dieſes Schau¬<lb/>ſpiel nicht zu einfach werde, thuͤrmten ſich<lb/>
oft Wolken uͤber die entfernten Berge, bald<lb/>
in dieſer, bald in jener Gegend. Sie ſtan¬<lb/>
den Tage, ja Wochen lang, ohne den<lb/>
reinen Himmel zu truͤben, und ſelbſt die<lb/>
voruͤbergehenden Gewitter erquickten das<lb/>
Land und verherrlichten das Gruͤn, das ſchon<lb/></p></div></body></text></TEI>
[44/0052]
verſtand Spaß, oder ließ ihn wenigſtens vor¬
uͤbergehn.
Ernſthafter jedoch und herzerhebender war
der Genuß der Tags- und Jahreszeiten in
dieſem herrlichen Lande. Man durfte ſich nur
der Gegenwart hingeben, um dieſe Klarheit
des reinen Himmels, dieſen Glanz der rei¬
chen Erde, dieſe lauen Abende, dieſe war¬
men Naͤchte an der Seite der Geliebten oder
in ihrer Naͤhe zu genießen. Monate lang
begluͤckten uns reine aͤtheriſche Morgen, wo
der Himmel ſich in ſeiner ganzen Pracht
wies, indem er die Erde mit uͤberfluͤſſigem
Thau getraͤnkt hatte; und damit dieſes Schau¬
ſpiel nicht zu einfach werde, thuͤrmten ſich
oft Wolken uͤber die entfernten Berge, bald
in dieſer, bald in jener Gegend. Sie ſtan¬
den Tage, ja Wochen lang, ohne den
reinen Himmel zu truͤben, und ſelbſt die
voruͤbergehenden Gewitter erquickten das
Land und verherrlichten das Gruͤn, das ſchon
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/52>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.