Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814.

Bild:
<< vorherige Seite

Und so hatte ich meinen neuen Gönnern
mit aller Naivetät diesen arglosen Ursprung
des Stücks, so gut wie ich ihn selbst wußte,
vorerzählt und, um sie völlig zu überzeugen,
daß hiebey keine Persönlichkeit noch eine an¬
dere Absicht obwalte, auch die lustige und
verwegene Art mitgetheilt, wie wir uns unter¬
einander zu necken und zu verspotten pflegten.
Hierauf sah ich die Gemüther völlig erheitert,
und man bewunderte uns beynah, daß wir
eine so große Furcht hatten, es möge irgend
Jemand auf seinen Lorbeern einschlafen. Man
verglich eine solche Gesellschaft jenen Flibu¬
stiers
, welche sich in jedem Augenblick der
Ruhe zu verweichlichen fürchteten, weshalb
der Anführer, wenn es keine Feinde und
nichts zu rauben gab, unter den Gelagtisch
eine Pistole losschoß, damit es auch im Frie¬
den nicht an Wunden und Schmerzen fehlen
möge. Nach manchen Hin- und Wiederreden
über diesen Gegenstand ward ich endlich ver¬
anlaßt, Wielanden einen freundlichen Brief

Und ſo hatte ich meinen neuen Goͤnnern
mit aller Naivetaͤt dieſen argloſen Urſprung
des Stuͤcks, ſo gut wie ich ihn ſelbſt wußte,
vorerzaͤhlt und, um ſie voͤllig zu uͤberzeugen,
daß hiebey keine Perſoͤnlichkeit noch eine an¬
dere Abſicht obwalte, auch die luſtige und
verwegene Art mitgetheilt, wie wir uns unter¬
einander zu necken und zu verſpotten pflegten.
Hierauf ſah ich die Gemuͤther voͤllig erheitert,
und man bewunderte uns beynah, daß wir
eine ſo große Furcht hatten, es moͤge irgend
Jemand auf ſeinen Lorbeern einſchlafen. Man
verglich eine ſolche Geſellſchaft jenen Flibu¬
ſtiers
, welche ſich in jedem Augenblick der
Ruhe zu verweichlichen fuͤrchteten, weshalb
der Anfuͤhrer, wenn es keine Feinde und
nichts zu rauben gab, unter den Gelagtiſch
eine Piſtole losſchoß, damit es auch im Frie¬
den nicht an Wunden und Schmerzen fehlen
moͤge. Nach manchen Hin- und Wiederreden
uͤber dieſen Gegenſtand ward ich endlich ver¬
anlaßt, Wielanden einen freundlichen Brief

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0509" n="501"/>
        <p>Und &#x017F;o hatte ich meinen neuen Go&#x0364;nnern<lb/>
mit aller Naiveta&#x0364;t die&#x017F;en arglo&#x017F;en Ur&#x017F;prung<lb/>
des Stu&#x0364;cks, &#x017F;o gut wie ich ihn &#x017F;elb&#x017F;t wußte,<lb/>
vorerza&#x0364;hlt und, um &#x017F;ie vo&#x0364;llig zu u&#x0364;berzeugen,<lb/>
daß hiebey keine Per&#x017F;o&#x0364;nlichkeit noch eine an¬<lb/>
dere Ab&#x017F;icht obwalte, auch die lu&#x017F;tige und<lb/>
verwegene Art mitgetheilt, wie wir uns unter¬<lb/>
einander zu necken und zu ver&#x017F;potten pflegten.<lb/>
Hierauf &#x017F;ah ich die Gemu&#x0364;ther vo&#x0364;llig erheitert,<lb/>
und man bewunderte uns beynah, daß wir<lb/>
eine &#x017F;o große Furcht hatten, es mo&#x0364;ge irgend<lb/>
Jemand auf &#x017F;einen Lorbeern ein&#x017F;chlafen. Man<lb/>
verglich eine &#x017F;olche Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft jenen <hi rendition="#g">Flibu¬<lb/>
&#x017F;tiers</hi>, welche &#x017F;ich in jedem Augenblick der<lb/>
Ruhe zu verweichlichen fu&#x0364;rchteten, weshalb<lb/>
der Anfu&#x0364;hrer, wenn es keine Feinde und<lb/>
nichts zu rauben gab, unter den Gelagti&#x017F;ch<lb/>
eine Pi&#x017F;tole los&#x017F;choß, damit es auch im Frie¬<lb/>
den nicht an Wunden und Schmerzen fehlen<lb/>
mo&#x0364;ge. Nach manchen Hin- und Wiederreden<lb/>
u&#x0364;ber die&#x017F;en Gegen&#x017F;tand ward ich endlich ver¬<lb/>
anlaßt, Wielanden einen freundlichen Brief<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[501/0509] Und ſo hatte ich meinen neuen Goͤnnern mit aller Naivetaͤt dieſen argloſen Urſprung des Stuͤcks, ſo gut wie ich ihn ſelbſt wußte, vorerzaͤhlt und, um ſie voͤllig zu uͤberzeugen, daß hiebey keine Perſoͤnlichkeit noch eine an¬ dere Abſicht obwalte, auch die luſtige und verwegene Art mitgetheilt, wie wir uns unter¬ einander zu necken und zu verſpotten pflegten. Hierauf ſah ich die Gemuͤther voͤllig erheitert, und man bewunderte uns beynah, daß wir eine ſo große Furcht hatten, es moͤge irgend Jemand auf ſeinen Lorbeern einſchlafen. Man verglich eine ſolche Geſellſchaft jenen Flibu¬ ſtiers, welche ſich in jedem Augenblick der Ruhe zu verweichlichen fuͤrchteten, weshalb der Anfuͤhrer, wenn es keine Feinde und nichts zu rauben gab, unter den Gelagtiſch eine Piſtole losſchoß, damit es auch im Frie¬ den nicht an Wunden und Schmerzen fehlen moͤge. Nach manchen Hin- und Wiederreden uͤber dieſen Gegenſtand ward ich endlich ver¬ anlaßt, Wielanden einen freundlichen Brief

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/509
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814, S. 501. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/509>, abgerufen am 10.05.2024.