Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814.wir kaum in unserer kleinen Societät leiden¬ wir kaum in unſerer kleinen Societaͤt leiden¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0508" n="500"/> wir kaum in unſerer kleinen Societaͤt leiden¬<lb/> ſchaftlich durchgeſprochen, als die gewoͤhnliche<lb/> Wuth alles zu dramatiſiren mich eines Sonn¬<lb/> tags Nachmittags anwandelte, und ich bey<lb/> einer Flaſche guten Burgunders, das ganze<lb/> Stuͤck wie es jetzt daliegt, in Einer Sitzung<lb/> niederſchrieb. Es war nicht ſobald meinen<lb/> gegenwaͤrtigen Mitgenoſſen vorgeleſen und von<lb/> ihnen mit großem Jubel aufgenommen wor¬<lb/> den, als ich die Handſchrift an Lenz nach<lb/> Straßburg ſchickte, welcher gleichfalls davon<lb/> entzuͤckt ſchien und behauptete, es muͤſſe auf<lb/> der Stelle gedruckt werden. Nach einigem<lb/> Hin- und Wiederſchreiben geſtand ich es zu,<lb/> und er gab es in Straßburg eilig unter die<lb/> Preſſe. Erſt lange nachher erfuhr ich, daß<lb/> dieſes einer von Lenzens erſten Schritten ge¬<lb/> weſen, wodurch er mir zu ſchaden und mich<lb/> beym Publikum in uͤblen Ruf zu ſetzen die<lb/> Abſicht hatte; wovon ich aber zu jener Zeit<lb/> nichts ſpuͤrte noch ahndete.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [500/0508]
wir kaum in unſerer kleinen Societaͤt leiden¬
ſchaftlich durchgeſprochen, als die gewoͤhnliche
Wuth alles zu dramatiſiren mich eines Sonn¬
tags Nachmittags anwandelte, und ich bey
einer Flaſche guten Burgunders, das ganze
Stuͤck wie es jetzt daliegt, in Einer Sitzung
niederſchrieb. Es war nicht ſobald meinen
gegenwaͤrtigen Mitgenoſſen vorgeleſen und von
ihnen mit großem Jubel aufgenommen wor¬
den, als ich die Handſchrift an Lenz nach
Straßburg ſchickte, welcher gleichfalls davon
entzuͤckt ſchien und behauptete, es muͤſſe auf
der Stelle gedruckt werden. Nach einigem
Hin- und Wiederſchreiben geſtand ich es zu,
und er gab es in Straßburg eilig unter die
Preſſe. Erſt lange nachher erfuhr ich, daß
dieſes einer von Lenzens erſten Schritten ge¬
weſen, wodurch er mir zu ſchaden und mich
beym Publikum in uͤblen Ruf zu ſetzen die
Abſicht hatte; wovon ich aber zu jener Zeit
nichts ſpuͤrte noch ahndete.
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Zitationshilfe: | Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814, S. 500. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/508>, abgerufen am 30.07.2024. |