Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814.

Bild:
<< vorherige Seite

zu schreiben, wozu ich die Gelegenheit sehr
gern ergriff, da er sich schon im Merkur über
diesen Jugendstreich sehr lieberal erklärt und,
wie er es in literarischen Fehden meist ge¬
than, geistreich abschließend benommen hatte.

Die wenigen Tage des Maynzer Aufent¬
halts verstrichen sehr angenehm: denn wenn
die neuen Gönner durch Visiten und Gastmä¬
ler außer dem Hause gehalten wurden, blieb
ich bey den Ihrigen, portraitirte manchen
und fuhr auch wohl Schlittschuh, wozu die
eingefrornen Festungsgraben die beste Gelegen¬
heit verschafften. Voll von dem Guten was
mir dort begegnet war, kehrte ich nach
Hause zurück und stand im Begriff beym
Eintreten mir durch umständliche Erzählung
das Herz zu erleichtern; aber ich sah nur
verstörte Gesichter und es blieb mir nicht
lange verborgen, daß unsere Freundinn Klet¬
tenberg von uns geschieden sey. Ich war
hierüber sehr betroffen, weil ich ihrer grade

zu ſchreiben, wozu ich die Gelegenheit ſehr
gern ergriff, da er ſich ſchon im Merkur uͤber
dieſen Jugendſtreich ſehr lieberal erklaͤrt und,
wie er es in literariſchen Fehden meiſt ge¬
than, geiſtreich abſchließend benommen hatte.

Die wenigen Tage des Maynzer Aufent¬
halts verſtrichen ſehr angenehm: denn wenn
die neuen Goͤnner durch Viſiten und Gaſtmaͤ¬
ler außer dem Hauſe gehalten wurden, blieb
ich bey den Ihrigen, portraitirte manchen
und fuhr auch wohl Schlittſchuh, wozu die
eingefrornen Feſtungsgraben die beſte Gelegen¬
heit verſchafften. Voll von dem Guten was
mir dort begegnet war, kehrte ich nach
Hauſe zuruͤck und ſtand im Begriff beym
Eintreten mir durch umſtaͤndliche Erzaͤhlung
das Herz zu erleichtern; aber ich ſah nur
verſtoͤrte Geſichter und es blieb mir nicht
lange verborgen, daß unſere Freundinn Klet¬
tenberg von uns geſchieden ſey. Ich war
hieruͤber ſehr betroffen, weil ich ihrer grade

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0510" n="502"/>
zu &#x017F;chreiben, wozu ich die Gelegenheit &#x017F;ehr<lb/>
gern ergriff, da er &#x017F;ich &#x017F;chon im Merkur u&#x0364;ber<lb/>
die&#x017F;en Jugend&#x017F;treich &#x017F;ehr lieberal erkla&#x0364;rt und,<lb/>
wie er es in literari&#x017F;chen Fehden mei&#x017F;t ge¬<lb/>
than, gei&#x017F;treich ab&#x017F;chließend benommen hatte.</p><lb/>
        <p>Die wenigen Tage des Maynzer Aufent¬<lb/>
halts ver&#x017F;trichen &#x017F;ehr angenehm: denn wenn<lb/>
die neuen Go&#x0364;nner durch Vi&#x017F;iten und Ga&#x017F;tma&#x0364;¬<lb/>
ler außer dem Hau&#x017F;e gehalten wurden, blieb<lb/>
ich bey den Ihrigen, portraitirte manchen<lb/>
und fuhr auch wohl Schlitt&#x017F;chuh, wozu die<lb/>
eingefrornen Fe&#x017F;tungsgraben die be&#x017F;te Gelegen¬<lb/>
heit ver&#x017F;chafften. Voll von dem Guten was<lb/>
mir dort begegnet war, kehrte ich nach<lb/>
Hau&#x017F;e zuru&#x0364;ck und &#x017F;tand im Begriff beym<lb/>
Eintreten mir durch um&#x017F;ta&#x0364;ndliche Erza&#x0364;hlung<lb/>
das Herz zu erleichtern; aber ich &#x017F;ah nur<lb/>
ver&#x017F;to&#x0364;rte Ge&#x017F;ichter und es blieb mir nicht<lb/>
lange verborgen, daß un&#x017F;ere Freundinn Klet¬<lb/>
tenberg von uns ge&#x017F;chieden &#x017F;ey. Ich war<lb/>
hieru&#x0364;ber &#x017F;ehr betroffen, weil ich ihrer grade<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[502/0510] zu ſchreiben, wozu ich die Gelegenheit ſehr gern ergriff, da er ſich ſchon im Merkur uͤber dieſen Jugendſtreich ſehr lieberal erklaͤrt und, wie er es in literariſchen Fehden meiſt ge¬ than, geiſtreich abſchließend benommen hatte. Die wenigen Tage des Maynzer Aufent¬ halts verſtrichen ſehr angenehm: denn wenn die neuen Goͤnner durch Viſiten und Gaſtmaͤ¬ ler außer dem Hauſe gehalten wurden, blieb ich bey den Ihrigen, portraitirte manchen und fuhr auch wohl Schlittſchuh, wozu die eingefrornen Feſtungsgraben die beſte Gelegen¬ heit verſchafften. Voll von dem Guten was mir dort begegnet war, kehrte ich nach Hauſe zuruͤck und ſtand im Begriff beym Eintreten mir durch umſtaͤndliche Erzaͤhlung das Herz zu erleichtern; aber ich ſah nur verſtoͤrte Geſichter und es blieb mir nicht lange verborgen, daß unſere Freundinn Klet¬ tenberg von uns geſchieden ſey. Ich war hieruͤber ſehr betroffen, weil ich ihrer grade

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/510
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814, S. 502. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/510>, abgerufen am 10.05.2024.