ten Geschöpfe zu beleben, hatte der außeror¬ dentliche Mann sein ganzes Talent erschöpft, und in Darstellung des mannigfaltigsten thie¬ rischen Ueberkleides, der Borsten, der Haare, der Federn, des Geweihes, der Klauen, sich der Natur gleichgestellt, in Absicht auf Wir¬ kung sie übertroffen. Hatte man die Kunst¬ werke im Ganzen genugsam bewundert, so ward man genöthigt, über die Handgriffe nachzudenken, wodurch solche Bilder so geist¬ reich als mechanisch hervorgebracht werden konnten. Man begriff nicht, wie sie durch Menschenhände entstanden seyen und durch was für Instrumente. Der Pinsel war nicht hinreichend; man mußte ganz eigne Vorrich¬ tungen annehmen, durch welche ein so Man¬ nigfaltiges möglich geworden. Man näherte, man entfernte sich mit gleichem Erstaunen: die Ursache war so bewundernswerth als die Wirkung.
ten Geſchoͤpfe zu beleben, hatte der außeror¬ dentliche Mann ſein ganzes Talent erſchoͤpft, und in Darſtellung des mannigfaltigſten thie¬ riſchen Ueberkleides, der Borſten, der Haare, der Federn, des Geweihes, der Klauen, ſich der Natur gleichgeſtellt, in Abſicht auf Wir¬ kung ſie uͤbertroffen. Hatte man die Kunſt¬ werke im Ganzen genugſam bewundert, ſo ward man genoͤthigt, uͤber die Handgriffe nachzudenken, wodurch ſolche Bilder ſo geiſt¬ reich als mechaniſch hervorgebracht werden konnten. Man begriff nicht, wie ſie durch Menſchenhaͤnde entſtanden ſeyen und durch was fuͤr Inſtrumente. Der Pinſel war nicht hinreichend; man mußte ganz eigne Vorrich¬ tungen annehmen, durch welche ein ſo Man¬ nigfaltiges moͤglich geworden. Man naͤherte, man entfernte ſich mit gleichem Erſtaunen: die Urſache war ſo bewundernswerth als die Wirkung.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0453"n="445"/>
ten Geſchoͤpfe zu beleben, hatte der außeror¬<lb/>
dentliche Mann ſein ganzes Talent erſchoͤpft,<lb/>
und in Darſtellung des mannigfaltigſten thie¬<lb/>
riſchen Ueberkleides, der Borſten, der Haare,<lb/>
der Federn, des Geweihes, der Klauen, ſich<lb/>
der Natur gleichgeſtellt, in Abſicht auf Wir¬<lb/>
kung ſie uͤbertroffen. Hatte man die Kunſt¬<lb/>
werke im Ganzen genugſam bewundert, ſo<lb/>
ward man genoͤthigt, uͤber die Handgriffe<lb/>
nachzudenken, wodurch ſolche Bilder ſo geiſt¬<lb/>
reich als mechaniſch hervorgebracht werden<lb/>
konnten. Man begriff nicht, wie ſie durch<lb/>
Menſchenhaͤnde entſtanden ſeyen und durch<lb/>
was fuͤr Inſtrumente. Der Pinſel war nicht<lb/>
hinreichend; man mußte ganz eigne Vorrich¬<lb/>
tungen annehmen, durch welche ein ſo Man¬<lb/>
nigfaltiges moͤglich geworden. Man naͤherte,<lb/>
man entfernte ſich mit gleichem Erſtaunen:<lb/>
die Urſache war ſo bewundernswerth als die<lb/>
Wirkung.</p><lb/></div></body></text></TEI>
[445/0453]
ten Geſchoͤpfe zu beleben, hatte der außeror¬
dentliche Mann ſein ganzes Talent erſchoͤpft,
und in Darſtellung des mannigfaltigſten thie¬
riſchen Ueberkleides, der Borſten, der Haare,
der Federn, des Geweihes, der Klauen, ſich
der Natur gleichgeſtellt, in Abſicht auf Wir¬
kung ſie uͤbertroffen. Hatte man die Kunſt¬
werke im Ganzen genugſam bewundert, ſo
ward man genoͤthigt, uͤber die Handgriffe
nachzudenken, wodurch ſolche Bilder ſo geiſt¬
reich als mechaniſch hervorgebracht werden
konnten. Man begriff nicht, wie ſie durch
Menſchenhaͤnde entſtanden ſeyen und durch
was fuͤr Inſtrumente. Der Pinſel war nicht
hinreichend; man mußte ganz eigne Vorrich¬
tungen annehmen, durch welche ein ſo Man¬
nigfaltiges moͤglich geworden. Man naͤherte,
man entfernte ſich mit gleichem Erſtaunen:
die Urſache war ſo bewundernswerth als die
Wirkung.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814, S. 445. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/453>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.